In der frühen Neuzeit entstand das Konzept der „Bevölkerung“ und ist bis heute ein zentraler Teil staatlichen Handelns. Um Bevölkerung zu beschreiben, sind Daten und wissenschaftliche Expertise von großer Bedeutung. Michel Foucault beschreibt die Ausweitung von Umfang und Einfluss von Wissenschaften als Wissen/Macht Komplex. Im Seminar erkunden wir, wie statistisches Wissen über die Bevölkerung produziert wird und welche Auswirkungen es hat. Ein Fokus liegt dabei auf dem Zusammenhang von Klassifikation und Normierung von Subjekten. Unterschiedliche Kategorien von Menschen – taxonomisch sortiert z.B. nach Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, ‚race‘ oder sexueller Orientierung – sind Ziel von Wissens- und Regierungspraktiken. Es geht um Fragen wie: Wie werden unterschiedliche Kategorien von Menschen in der Statistik hergestellt, abgebildet, aber auch ignoriert und wie können diese Prozesse ethnografisch erkundet werden? Was sind die politischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für Klassifikationen, welche Effekte haben statistische Kategorien, und wie wird das so produzierte Wissen genutzt? Kurz: wie macht die Statistik aus Menschen Kategorien und wie wirken sich die Kategorisierungen in deren Alltagen aus? Darüber hinaus sind intervenierende, widerständige und kritische Umgänge mit Kategorien Teil der Lektüre und Diskussion im Seminar.
Findet im Rahmen des normalen Lehrprogrammes am Institut für Europäische Ethnologie statt, ÜWP Studierende können zusätzlich teilnehmen.
Bowker, Geoffrey C.; Star, Susan Leigh (1999): Sorting Things Out. Classification and Its Consequences. MIT Press: Cambridge.
Desrosières, Alain (2005): Die Politik der großen Zahlen. Die Geschichte der statistischen Denkweise. Springer: Berlin, Heidelberg, New York.
D’Ignacio, Catherine; Klein, Lauren F. (2020): Data Feminism. MIT Press: Cambridge.
Hacking, Ian (1986): Making Up People. In: Thomas C. Heller, Morton Sosna, David E. Wellbery (Hrsg): Reconstructing Individualism. Autonomy, Individuality, and the Self in Western Thought. Stanford University Press: Stanford. S. 222-236.
Yanow, Dvora (2003): Constructing „Race“ and „Ethnicity“ in America. Category-Making in Public Policy and Administration. M. E. Sharpe: Armonk, New York, London.
Zerubavel, Eviatar (2019): Foregrounding and Backgrounding: the logic and mechanics of semiotic subversion. In: Wayne H. Brekhus und Gabe Ignatow (Hrsg.): The Oxford Handbook of Cognitive Sociology. Oxford University Press: New York. S. 568-584
Sollten Sie noch weitere Fragen zu diesem Lehrangebot haben, oder auch Probleme ansprechen wollen, können Sie sich auch an die Lehrkoordination des Instituts, Alice von Bieberstein (alice.bieberstein@hu-berlin) wenden.