Kommentar |
Die moderne Verfassung beruht nach einer berühmten These von Niklas Luhmann auf einer Doppelbewegung von Politisierung des Rechts und Verrechtlichung der Politik: Die Bindung der Politik an das Recht der Verfassung ist die andere Seite der beliebigen politische Änderbarkeit des modernen Gesetzesrechts. Im Alltag sind die Grenzen zwischen Recht und Politik fließend und werden täglich in Gerichten, Verwaltungsbehörden und Parlamenten neu verhandelt. Gerichtsverfahren etwa gelten als Inbegriff der Verrechtlichung und doch werden sie im Rahmen strategischer Prozessführung für politische Zwecke eingesetzt. Seit langem gehört die Forderung nach einer „stärkeren Politisierung“ rechtlicher Fragen zu einer bestimmten Form der Rechtskritik. Was aber heißt es, eine rechtliche Frage „zu politisieren“? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Recht und Politik? Sind Grundrechtsbehauptungen politisch? Wo haben politische Argumente im demokratischen Verfassungsstaat ihren Platz und wo nicht?
Diesen Fragen will das Kolloquium anhand ausgewählter Phänomene wie dem Streit um die Verfassungsgerichtsbarkeit, dem Verwaltungsermessen, der Stellung unabhängiger Zentralbanken oder dem Status von Grundrechtsbehauptungen nachgehen. Dabei sollen Texte von Niklas Luhmann, Jeremy Waldron, Dieter Grimm, Wolfgang Streeck, Friedrich Hayek, Christoph Menke u. a. gelesen werden. |