Kommentar |
In diesem Seminar soll einer Spur nachgegangen werden, die Freud selbst gelegt und zugleich versteckt hat. In der Traumdeutung, der Grundschrift der Psychoanalyse, erklärt er relativ am Ende seiner Ausführungen sowie ohne jede Vorbereitung und Erläuterung, er habe die Träume in dem Buch wie „heilige Texte“ behandelt. Geht man diesem Hinweis genauer nach und vergleicht man das verbindlich gewordene methodische Vorgehen, das Freud in der Traumdeutung entwickelt hat, mit dem Schriftzugang, der in der talmudisch-rabbinischen Tradition der Textauslegung entstanden ist, so entdeckt man erstaunliche methodische Entsprechungen und grundlegende Strukturähnlichkeiten, die es rechtfertigen, diese Tradition als eine der wesentlichen Quellen der Psychoanalyse zu betrachten. In einer gleichsam performativen Form der Didaktik soll im Seminar der geschilderte Schriftzugang nicht nur theoretisch dargestellt, sondern auch praktiziert werden. Es sollen ausgesuchte Textstellen, vor allem aus der Traumdeutung und dem Babylonischen Talmud laut und gemeinsam gelesen und anschließend umfassend diskutiert werden (in der jüdischen Tradition heißt diese Art des Lesens und Lernens chavruta). Dadurch wird der Text in die Seminargruppe „übertragen“, und zugleich können die Seminarteilnehmer_inn_en ihre je eigenen Fragen an den Text richten, der damit gewissermaßen wie eine Analytikerin bzw. ein Analytiker fungiert. Daneben sind einordnende Kurzvorträge vorgesehen und Referate und Hausarbeiten möglich. |