Die Vorlesung versteht sich als Teil einer Debatte um Stadtentwicklung und Urbanisierung, wie sie seit dem 16. Jahrhundert weltweit stattgefunden hat. „Mega Cities“ und „Global Cities“ sind nur die neuesten Erscheinungen (und intentionaler Definitionen) in diesen seit einem halben Jahrtausend anhaltenden radikalen Veränderungen der städtischen Erscheinungsbilder. Die schiere Zunahme der urbanen Bevölkerung ist nur ein Aspekt dieser Entwicklung, ein anderer ist der wachsende, immer weiter ausgreifende städtische Raum, der schließlich in urbane Agglomerationen (Ruhrgebiet, Tokyo, New Delhi, Mexico City) mündet.
Zunächst werden Konzepte und Ideen der europäischen Stadtplanung vorgestellt, wie sie seit dem 15. Jahrhundert zunächst in Italien, dann in Frankreich und schließlich in Deutschland entwickelt wurden. Anhand ausgewählter Stadtbeispiele (neben Rom unter anderem Wien, Berlin, Paris, London und Edinburgh) soll die Entwicklung der „modernen“ europäischen Stadt aufgezeigt werden, wie sie sich schließlich im 18. Jahrhundert zeigte. Neben den konzeptuellen Ideen einer Stadt spielt die Stadtplanung und das „urban design“ eine prominente Rolle. Zu betonen ist, dass Stadt keine statische Einheit, sondern permanentem Wandel unterworfen ist.
Neben der Architektur und dem Baustil als Bestandteil des „urban design“ gehört auch die Platzierung von öffentlichen Gebäuden und die Anlage von Straßen und Plätzen zu den Kernbereichen der Stadt und ihrer Planung – nicht nur in Europa. Das gilt jedoch besonders für Hauptstädte, denen zusätzlich die Aufgabe der politischen Machtdemonstration zukommt. Diese kann freilich ganz unterschiedlich ausfallen. Und auch hier gilt: Mit sich änderndem Zeitgeschmack und Repräsentationsbedürfnis verändert auch jetzt eine Stadt stets und ständig ihr Erscheinungsbild. Modelle und Theorien zur Stadtentwicklung und Stadtentwicklung bilden daher einen wichtigen Bestandteil der Vorlesung.
Lernziel ist unter anderem, den Blick für die eigene (und in Folge für die fremde) urbane Umgebung zu entwickeln und zu schärfen (insofern böte es sich an, das Seminar von Dr. Sadia Bajwa, „Urban South Asia“, zu belegen). Da eine Stadt in ihrem Erscheinungsbild nur visuell wahrnehmbar ist, basiert die Vorlesung auf zahlreichen Stadtplänen, idealtypischen Stadtentwürfen, Abbildungen von Straßen und Plätzen sowie Bildern von prominenten öffentlichen und ggf. privaten Gebäuden, die zusammen genommen der Stadt ihr ganz eigenes, individuelles Aussehen verliehen. Ein gewisses Lesevermögen von Stadtplänen bzw. ein generelles Orientierungsvermögen und räumliches Vorstellungsvermögen ist zweifelsohne von Vorteil für den Besuch der Vorlesung.
Diese richtet sich nicht nur an Studierende des IAAW, sondern generell an all diejenigen Studenten, die sich mit Stadtplanung und Stadtentwicklung beschäftigen. Studierende bekommen hier historisches Grundwissen vermittelt sowie einen Einblick in die aktuelle Forschung zu den kolonialen Hauptstädten Calcutta (1772-1912) und New Delhi (1912-1947). Während Calcutta eher einzelnen Planungsabschnitten unterworfen war, besonders in der Zeit 1772 bis 1836, ist New Delhi, wie ehedem Washington (1792), eine Stadt, die auf dem Reißbrett entworfen und mehr oder weniger 1:1 realisiert wurde. Beide britisch-indischen Stadttypen zeigen beispielhaft die jeweils zeitgenössischen europäischen Vorstellungen von Stadtplanung, Stadtentwicklung und „urban design“.
Die erste Vorlesung findet am Donnerstag, 28.04.2022, statt.
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