Kommentar |
In westlichen Gesellschaften stehen bei der Beschreibung von Religion diskursive Aspekte im Vordergrund. Der Ansatz einer "Ästhetik der religiösen Begegnung" wählt bewusst einen anderen Zugang. Er eröffnet eine Schnittstelle zwischen Text und Körper, Bild und Sprache, Imagination und Handlung, räumlicher, sozialer und kultureller Begegnung. Durch die Interaktion neuer und anfangs oft konkurrierender Vorstellungs- und Wahrnehmungswelten werden Räume geschaffen, in denen das Neue und Fremde gesehen, gehört, sinnlich wahrgenommen wird.
Das Projekt wird seit Jahren fortgesetzt, jedes Jahresthema kann jedoch im Studium für sich allein stehend besucht werden. In der Veranstaltung des Jahres 2022 stellen wir die Frage: Wer ist Wir? Von Menschen und Anderen
Der Ausdruck Anthropozän entstand als Vorschlag zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche: nämlich des Zeitalters, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Unsere Vorstellung von der Natur ist überholt. Der Mensch formt die Natur. Das ist der Kern der Anthropozän-These, die einen Paradigmenwechsel nicht nur in den Wissenschaften ankündigt, sondern darüber hinaus in Religion, Kultur, Kunst, Landwirtschaft, Politik und Alltag nach neuen Wegen sucht.
Mit dem Anthropozän, dem „Zeitalter des Menschen“, sind wir an einem Tipping Point angekommen. Er besteht nicht allein darin, dass der Klimawandel einen Punkt erreicht hat, der selbstverstärkend wirkt, oder die „natürlichen“ Ressourcen dramatisch zur Neige gehen: Wenn das, was wir bisher als Natur verstanden haben, zunehmend von Menschen gemacht ist, funktionieren Dualismen wie Natur/Kultur oder Subjekt/Objekt nicht mehr in ihrer althergebrachten Funktion. Die untrennbare Verkettung von industriellem Stoffwechsel, Klimawandel, Verstädterung, Bodenerosion und Artensterben, aber auch ein neues gesellschaftliches (Selbst-)Bewusstsein, haben gezeigt: Die rasante Neuformation von Ursache und Wirkung, Mittel und Zweck, Quantität und Qualität erfordert eine neue Erschließung von Welt.
Ein neues Staunen über das Wunder Erde ist gefragt: Was können wir tun, wie können wir wissen – und inwiefern hängt beides zusammen? Mit welchen Mitteln, Methoden und Sinnen können wir der von uns selbst zunehmend veränderten Welt begegnen?
|