Kommentar |
In dieser Übung werden wir uns mit einem für ein Poesie-Modul außergewöhnlichen und gleichzeitig extrem spannenden und anspruchsvollen Text befassen, und zwar mit den Fragmenten des in Hexameter verfassten Lehrgedichtes Peri physeos des „vorsokratischen“ Philosophen Parmenides von Elea. Das Werk, dessen Interpretation eine der schwierigsten Aufgaben für Philosophen, Philologen, Philosophie- und Religionshistoriker darstellt, beginnt mit dem Bericht des Erzählers von einer Reise, die ihn bis vor das Tor führt, durch welches die Pfade von Tag und Nacht verlaufen und das von Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, bewacht wird. Nachdem Dike dem Erzähler Einlass gewährt hat, wird er von einer namenlosen Göttin begrüßt, die von nun an allein das Wort führt. Sie erklärt ihm zunächst, dass ihn sein Wandeln fernab der üblichen Pfade der Menschen an diesen Ort geführt habe, weshalb sie ihm nunmehr offenbaren werde, was es einerseits über die Wahrheit an Sicherem zu sagen gibt und was andererseits den Sterblichen wahr zu sein scheint. Mit Sicherheit, so fährt die Göttin fort, muss gesagt werden, dass das Seiende ist, das Nicht-Seiende hingegen nicht. Das Seiende, so die Göttin, sei vollendet und gänzlich unveränderbar. Die Möglichkeit einer Veränderung oder Zerstörung sei undenkbar und somit sei die Annahme irgendeiner Form der Veränderung des Seienden bloße Meinung (doxa) und somit purer Schein, was sie in den Gegensatz einer Erfassung des Seienden durch die Vernunft setzt. Mit verschiedenen Ansätzen wiederholt die Göttin im Weiteren diese Einsicht und entwirft dabei ein Bild des Seienden als eines unentstandenen, unteilbaren und in sich gleichartigen Ganzen, dessen Vollkommenheit mit der einer Kugel verglichen wird. Nachdem die Göttin ihre Rede über die Wahrheit des Seins abgeschlossen hat, folgen einige Sätze zu dem, was in den Meinungen der Menschen wahr zu sein scheint.
Im Kurs werden wir alle Fragmente übersetzen und uns mit den interpretatorischen Schwierigkeiten philosophischer, sprachlicher und überlieferungsgeschichtlicher Art intensiv auseinandersetzen, die diese Fragmente bieten. Dabei werden wir uns auch auf die Testimonia zu Parmenides stützen.
Eine ausführliche Literaturliste wird am Anfang des Semesters zur Verfügung gestellt. |