Kommentar |
Ob Prozesse gegen Literat*innen und Künstler*innen, ob Anklagen und Geständnisse, Provokationen oder Diffamierungen in oder durch Texte, Filme, Zeichnungen sowie Performances – die russische Kultur ist augenscheinlich von einer unheimlichen Nähe zur Sphäre des (Un-)Rechts geprägt. Das Seminar widmet sich signifikanten Szenen „Vor Gericht“, beginnend mit den Diskurs-Klassikern der „Wortsünden“ (S. Sasse) Dostoevskij und Tolstoj, und endend mit der politischen Repression künstlerischer Aktionen in der restaurativen Gegenwart. Im kulturhistorischen Durchlauf wichtiger Stationen der literarischen und filmischen ‚Rechts-Kultur‘ soll das komplexe Verhältnis von Diskursen, visuellen Medialisierungen und (rhetorischen, juridischen oder politischen) Praktiken erläutert werden. Konkrete Themen sind u.a. die Agit-Gerichte der 1920er Jahre, die Schauprozesse der 1930er Jahre, die stalinismuskritische Literatur des Tauwetters (Abram Terc‘ „Sud idet“ / „Der Prozess läuft“), das ambivalente Kino eines Fridrich Ermler („Pered sudom istorii“ / „Vor dem Gericht der Geschichte“), die subtilen Geständnisse bei Vladimir Nabokov und die zahlreichen Konfrontationen der Putinjahre – von Andrej Zvjagincevs „Leviathan“ über Pussy Riot und Petr Pavlenskij bis hin zu Viktorija Lomaskos Porträts der „Unsichtbaren und Zornigen“. Russisch-Kenntnisse sind erwünscht und von Vorteil (aber keine verpflichtende Voraussetzung). Die Bereitschaft zu eigenständiger Lektüre und Film-Sichtungen wird vorausgesetzt. Das Seminar wird in 8 vierstündigen Blocksitzungen abgehalten. |