Das Seminar baut auf der Arbeit des gleichnamigen Studienprojekts und den Themen, die bereits in den vergangenen beiden Semestern von der Projektgruppe erarbeitet wurden, auf. Grundlegend ist die These, dass eine „postmigrantische“, d.h. langfristig durch vielfältige Migrationen geprägte Berliner Stadtgesellschaft ebenso vielfältige Bezüge zu kolonialen Geschichten in einer postkolonialen Gegenwart vor Ort zusammenbringt. Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen post/kolonialer Verflechtungen teilen sich den Stadtraum und bringen ihre spezifischen Sichten auf diese geteilte Globalgeschichte ein. Die zentrale Frage des Studienprojekts ist, inwieweit die so entstehenden postkolonialen Nachbarschaften in Berlin und anderen Orten neue, multiple, intersektionale Auseinandersetzungen mit weiter wirkenden Kolonialismen, Rassismen, mit Antisemitismus und Nationalsozialismus eröffnen. Inwieweit trägt die lange Geschichte der Migrationen dazu bei, urbane Räume multidirektionaler Erinnerung zu schaffen und bürgerschaftliche Verortungen in einer mit der Welt verflochtenen Stadtgesellschaft zu ermöglichen? Wie werden entsprechende Forderungen nach anerkannter Präsenz und gemeinsamer Zukunft in einer Stadt der Vielen verhandelt? Und wie betrifft dies nicht nur die im dominanten Blick migrantisierten Zonen und die als nicht (ganz) Weiß gelesenen Bürger*innen der Stadt, sondern auch die scheinbar nicht betroffenen Sphären der so genannten deutschen Mehrheitsgesellschaft? Welche übergreifenden Figurationen, Texturen und Entwürfe der postmigrantischen, postkolonialen Stadt werden hier erkennbar?
Die Projektgruppe hat bisher u.a. an folgenden Themenfeldern gearbeitet, zu denen, soweit die Corona-Lage das zuließ, vor Ort und digital geforscht wurde:
Die Forschungen an diesen Themen werden in diesem Semester fortgesetzt. Zugleich wird das Projekt für neue Seminarteilnehmende geöffnet, die sich per Diskussion und Reflexion sowie durch eigene Recherchen an der Forschungsarbeit beteiligen können. Eine Zusammenarbeit in einzelnen Feldern des Projekts ist möglich. Darüber hinaus können eigene Vorschläge für empirische Recherchen eingebracht werden, insbesondere in folgenden thematischen Feldern:
Neue Teilnehmende sollten grundlegende Kenntnisse der kritischen, transnational orientierten Migrationsforschung sowie der postkolonialen Theorie mitbringen.
Fragen zu Bedingungen und Möglichkeiten der Teilnahme können vorab an mich gerichtet werden: regina.roemhild@hu-berlin.de
Präsenzseminar (nach Möglichkeit), je nach pandemischer Lage und nach Absprache mit den Teilnehmenden können auch digitale sowie hybride Lehr- und Lernformate zum Einsatz kommen.
Findet im Rahmen des normalen Lehrprogrammes am Institut für Europäische Ethnologie statt, ÜWP Studierende können zusätzlich teilnehmen.
Adam, Jens u.a. (Hg.) (2019): Europa dezentrieren. Globale Verflechtungen neu denken. Frankfurt a.M., New York: Campus.
Conrad, Sebastian u.a. (Hg.) (2013): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. 2., erw. Aufl. Frankfurt a.M., New York: Campus.
Labor Migration (Hg.) (2014): Vom Rand ins Zentrum. Perspektiven einer kritischen Migrationsforschung. Berlin: Panama, 10-24.
Rothberg, Michael (2009): Multidirectional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization. Stanford: Stanford University Press.
Rothberg, Michael (2019): The Implicated Subject: Beyond Victims and Perpretrators. Stanford: Stanford University Press.