Kommentar |
Es gibt Situationen, in denen man entweder eine kleine Gruppe Menschen retten kann oder eine andere größere Gruppe, in denen man aber nicht beiden Gruppen helfen kann. Viele glauben, dass es in solch einem Fall moralisch geboten ist, der größeren Gruppe zu helfen. In einem einflussreichen Aufsatz von 1977 verneint John Taurek dies. Stattdessen vertritt Taurek die These, dass man eine Münze werfen sollte, um zu entscheiden, welche Gruppe gerettet werden soll. Im Anschluss an Taureks Aufsatz entwickelte sich in der normativen Ethik eine lebhafte Debatte. Zum einen geht es darin um die Frage, ob es nun geboten ist, in Fällen wie dem oben skizzierten die größere Anzahl zu retten oder nicht. Zum anderen geht es darum, inwiefern sich eine Pflicht die größere Anzahl zu retten aus der Perspektive nicht-konsequentialistischer Moraltheorien überhaupt vertreten lässt. Im Seminar werden wir zentrale Texte dieser Debatte, die bis heute andauert, gemeinsam erarbeiten und diskutieren.
Dadurch werden wir zum einen eine spannende Debatte der normativen Ethik kennenlernen, die immer wieder auch für Anwendungskontexte relevant wird: Sollten wir zum Beispiel, wenn es in der Corona-Pandemie zu wenig Intensivbetten gibt, auslosen, wer die Intensivbehandlung bekommt? Oder sollten wir vorrangig diejenigen Patienten auf die Intensivstation aufnehmen, bei denen es am wahrscheinlichsten ist, dass sie durch die Behandlung auch gerettet werden? Zum anderen werden wir uns der schwierigen Frage nach den Grenzen nicht-konsequentialistischer Moraltheorien nähern.
Da die wichtigsten Texte in dieser Debatte nur auf Englisch erhältlich sind, wird für dieses Seminar die Bereitschaft zur Lektüre englischer Texte vorausgesetzt. |