Kommentar |
Anfängen von Theaterstücken oder Filmen kommt traditionell die Aufgabe zu, ihre Zuschauer*innen unmittelbar in den Bann zu schlagen und ein starkes Interesse für den weiteren Fortgang ihrer Handlung zu wecken. Das Seminar untersucht die Techniken, die Dramen im historischen Prozess einsetzen, um dieses Ziel realisieren zu können. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt dabei auf der Illusionsdramatik und ihren medialen und poetologischen Implikationen. Mit welchen Griffen wird gleich zu Beginn eines Dramas Illusion hergestellt oder umgekehrt torpediert? Wie sehen gute, aber auch schlechte Dramenanfänge eigentlich aus? Welche Erwartungshaltung versuchen sie zu stimulieren und mit welchen Problemen sehen sie sich dabei konfrontiert? Ein besonderes Gewicht kommt dem politischen Status der Illusion zu, die von kritischen Stimmen bis heute oft für ‚spießig‘ oder ‚eskapistisch‘ gehalten wird. Wir werden das Problem des Anfangs in textnahen Lektüren ausgewählter Dramen von Lessing bis Heiner Müller untersuchen. Bezogen werden die Anfänge dabei stets auf ihren Stellenwert im Rahmen der gesamten dramatischen Komposition. Zu berücksichtigen ist daher auch das Verhältnis von Dramenanfang und dramatischer Vorgeschichte in der sogenannten ‚Exposition‘, die mit dem Anfang nicht zwangsläufig deckungsgleich ist. Offenbar hängen der Dramenanfang und die Illusionserzeugung in herausragender Weise ab von der Modellierung der dramatischen Zeit. Sie bildet daher eine Art Fluchtpunkt der Seminardiskussion. |