Kommentar |
Das SE will sich intensiv mit Thomas Manns Roman auseinandersetzen, indem es ihn als Schnittpunkt unterschiedlicher Themenfelder und Diskurse begreift, zu denen er sich in Beziehung setzt. Vor allem werden drei Bereiche im Zentrum stehen: Erstens reflektiert der Roman an Charlotte Kestner und den anderen Figuren im Umkreis des fiktionalen Goethe über die Mechanismen von Ruhm. Der Roman ist insofern auch eine intensive Reflexion über spezifisch moderne Phänomene einer Celebrity-Kultur, wie sie damals vor allem anhand des im Filmgeschäft beobachtbar waren und verschiedentlich (etwa Walter Benjamin) theoretisiert wurden. Aber Thomas Mann projiziert nicht einfach zeitgenössische Phänomene in die Vergangenheit zurück. Vielmehr stellt er mit Goethe als Autor des Werther eine der Persönlichkeiten ins Zentrum seines Roman, die um 1800 in einem neuen Sinne zu europäischen ‚Stars‘ innerhalb der entstehenden Massenkulturen aufgestiegen waren und damit tatsächlich am historischen Beginn des Celebrity-Phänomens standen. Zweitens wird uns die wissenschaftsgeschichtliche Dimension interessieren, denn der Roman setzt sich zu verschiedenen Strömungen der zeitgenössischen Goethe-Philologie in Beziehung. Er reflektiert unterschiedliche Sichtweisen auf den zum ‚Nationaldichter‘ kanonisierten Goethe und nimmt damit gleichfalls (auf spezifisch literarische Weise) Stellung zu den literaturwissenschaftlichen Deutungsansprüchen. Drittens ist der 1939 erschienene Roman ein Exilwerk, mit dem Thomas Mann – der sich 1938 vorerst in Princeton ansiedeln konnte – dezidiert gegen nationalistisch-nationalsozialistische Bilder Goethes und der ‚Klassik‘ Stellung bezog. |
Literatur |
Zur Vorbereitung auf das SE soll der Roman gelesen werden, und zwar in der Ausgabe: Thomas Mann: Lotte in Weimar, Frankfurt am Main: Fischer 1990 (und Folgeauflagen). ISBN: 978-3596294329. Die zweibände Ausgabe in der ‚Großen kommentieren Frankfurter Ausgabe‘ (Hrsg. Von Werner Frizen. Frankfurt am Main 2003) enthält einen umfangreichen Kommentar, der vor allem viele Bezüge zur zeitgenössischen Germanistik erschließt. Erste Literaturhinweise zur Celebrity-Kultur: Antoine Lilty: The Invention of Celebrity. Hoboken 2017; David Marshall (Hrsg.): The Celebrity Culture Reader. New York, London 2006. Die endgültige Zusammenstellung der Texte wird zu Beginn des Seminars bekannt gegeben.
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