Kommentar |
Die Krise unserer Lebensweise erscheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts allgegenwärtig: Der Klimawandel und das rasant zunehmende Artensterben strafen das Fortschrittsparadigma der westlichen Moderne Lügen und zeichnen ein düsteres Bild unserer Beziehungen zur Welt. Dabei dämmert uns immer mehr, wie sehr wir in unserem Leben und Überleben von der Diversität anderer Lebensformen abhängig sind: die Krise ist eine geteilte Krise und macht es notwendig, unsere Beziehungen zur Welt zu überdenken und neue Beziehungen zu nichtmenschlichen Lebensformen zu knüpfen. Die streng getrennten Sphären von Natur und Kultur sind ins Wanken geraten und es stellt sich die Frage, ob und wie es uns gelingt, der Tatsache der geteilten Existenz von menschlichen und nicht-menschlichen Lebensformen Rechnung zu tragen. Ausgehend von diesen Fragen eines erdgebundenen Überlebens, hat die feministische Theoretikerin Donna Haraway in ihrem letzten Buch Staying with the Trouble eine Revision unseres Nachdenkens über Verwandtschaft ins Spiel gebracht. Warum fällt es uns in der westlichen Moderne so schwer, uns mit anders-als-menschlichen Lebewesen als verwandt zu denken? Eine Schwierigkeit, die andere Kulturen und Gesellschaften nachweislich nicht haben. Das BA-Seminar, das sich an fortgeschrittenere Studierende richtet, soll ausgehend von den theoretischen Revisionen der New Kinship Studies einen Überblick über wichtige ältere und neuere Diskurse rund um die Verwandtschaft der Arten geben. Es soll den Studierenden Raum geben, über eine der grundlegendsten Formen von Sozialität theoretisch nachzudenken und diese gleichermaßen als kulturhistorisches, koloniales und ökologisches Problem- und Konfliktfeld zu begreifen. Die behandelten Autoren reichen dabei von Charles Darwin und Sigmund Freud über Claude-Lévi-Strauss und David Schneider bis zu aktuellen Theoretiker*innen wie Donna Haraway, Marshall Sahlins, Janet Carsten, Marilyn Strathern, Margaret Robinson, Tim Ingold und Gilian Feeley-Harnik. |