Kommentar |
Personen, die bei jeder Gelegenheit unverblümt ihre eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfolge betonen, empfinden wir oftmals als unsympathisch und halten ihren moralischen Charakter für zumindest fragwürdig. Was diesen Personen fehlt, so scheint es, ist eine bestimmte Tugend: Bescheidenheit. Doch worin genau besteht Bescheidenheit und was erfordert sie? Ist Bescheidenheit eine Frage der spezifischen Meinungen, die man über sich selbst halt, oder vielmehr eine Disposition, die eigenen positiven Eigenschaften im Nachdenken nicht sonderlich zu gewichten? Erfordert Bescheidenheit lediglich, uns selbst nicht zu überschätzen, oder verlangt sie sogar, dass wir uns für schlechter halten als wir tatsächlich sind? Oder besteht Bescheidenheit vielleicht darin, sich selbst an einem strengeren Maßstab zu messen als andere? Und stimmt es überhaupt, dass Bescheidenheit eine Tugend ist? Diese und verwandte Fragen, die in der philosophischen Debatte der letzten Jahrzehnte intensiv diskutiert wurden, werden wir im Seminar verfolgen.
Neben der Bescheidenheit als praktischer Tugend werden wir uns dabei auch dem spezifischen Phänomen intellektueller Bescheidenheit (oder, vielleicht etwas verstaubter: intellektueller Demut) zuwenden, und der Frage nachgehen, worin diese besteht und ob sie eine epistemische Tugend ist. Ist intellektuelle Bescheidenheit die angebrachte Haltung angesichts unserer eigenen Fehlbarkeit, oder läuft sie gar der aufklärerischen Maxime zuwider, uns mutig unseres eigenen Verstandes zu bedienen?
Ein Großteil der Literatur liegt nur auf Englisch vor. Die Teilnahme am Seminar setzt daher die Bereitschaft voraus, englischsprachige Texte zu lesen. |