Kommentar |
Schon „seit Adam und Eva“ wird in der jüdisch-christlichen Tradition die Geschlechterdifferenz auf die Schöpfung zurückgeführt. Nach den Schöpfungsberichten in Gen 1f hat Gott den Menschen als ein geschlechtlich ausdifferenziertes Wesen erschaffen, und die Garten-Erzählung in Gen 3 kann als Ätiologie der hierarchischen Geschlechterverhältnisse gelesen werden. Dominant wurde in der Rezeption die Rückführung der Sünde auf die Geschlechtlichkeit des Menschen bzw. auf den „Fehltritt“ der Frau, wie sie etwa 1 Tim 2 entfaltet. Aber die Schöpfungserzählungen selbst sind vieldeutiger. Und die innerbiblische sowie christliche Rezeption stellt neben die Ätiologie der Geschlechterdifferenz die Vision ihrer Aufhebung in Christus (Gal 3; sog. apokryphe Traditionen). In dem interdisziplinären Seminar werden wir, mit einem gendertheoretisch geschärften Blick, die zentralen Texte der Bibel im Urtext (MT, LXX, NT) und die Rezeption im 2. Jh. studieren, um die Vielfalt der Diskurse zu Schöpfung und Geschlechtlichkeit herauszuarbeiten, und die Ergebnisse hermeneutisch reflektieren. Interreligiöse Perspektiven werden wir als Ausblick einbeziehen. Aktive Mitarbeit und die Bereitschaft zur Übernahme eines Referats werden erwartet.
Im Seminar wird an den Urtexten gearbeitet. Deshalb werden in der Regel Kenntnisse im Griechischen und Hebräischen sowie mindestens ein erfolgreich absolviertes Proseminar im AT oder NT vorausgesetzt. |
Literatur |
I. Fischer, Liebe, Laster, Lust und Leiden. Sexualität im Alten Testament, Stuttgart 2021; K. Zamfir, Creation and Fall in 1 Timothy: A Contextual Approach, in: Theologies of Creation in Early Judaism and Ancient Christianity, Berlin 2010, 353–387; S. Petersen, Nicht mehr „männlich und weiblich“ (Gen 1,27). Die Rede von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz im frühen Christentum, in: Geschlechterverhältnisse und Macht. Lebensformen in der Zeit des frühen Christentums, Wien u.a. 2010, 78–109 |