Kommentar |
Was gemacht werden soll, ist Literatur, was gemacht wird, ist Text.“ (Bense 1958, 26) Eine textologische Analyse lässt sich ein auf die poetische Eigentlichkeit des Textes, anstatt ihn zu verwerten in verselbständigten Interpretationsmechanismen und -modellen; es gilt ein radikaler ,Vorrang des Objekts‘. Viele textologische Prinzipien sind den literaturwissenschaftlichen Theorien und Methoden auf die eine oder andere Weise implizit, verdienen heute aber separate Aufmerksamkeit, weil sie einmal der ,Ent-Philologisierung‘ der Interpretationspraktiken entgegenwirken, als Schnittfläche von Sprachphilosophie, Philologie und Linguistik die Zusammenhänge und Spezifika jeder dieser Disziplinen freilegen und gerade dadurch schwierige Grundbegriffe wie den des ,Werks‘, der ,Poetizität‘ oder des ,poetischen Gehalts‘ herleiten können. Ziel des Seminars ist die Ausbildung einer analytischen Perspektive auf poetischen Text als künstlerisch-handwerkliches Erzeugnis. Entscheidend wird eine solche v. a. bei der Interpretation von Texten, deren poetischer Gehalt sich gerade in den komplexen Form–Inhalt-Relationen erst konstituiert oder in die der skripturale Akt selber formativ einwirkt. In detaillierten Analysen ,artistischer‘ Texte aus den Werken Hölderlins, Heines, Benns, G. Heyms und Kafkas wird erkundet, warum ,Textsinn‘ unablösbar gebunden ist an die spezifische Textfaktur und warum Texte keine geschlossenen, autonomen Kontinua sind. Diskutiert wird insbesondere die hermeneutische Relevanz textgenetischer Aspekte, von materiellen Indizien wie Duktus und Redigatprozessen („Das Gestrichene soll nicht gelten, kann aber bedeuten.“) bis hin zu Selbstzeugnissen der Autoren über ihre ,Schreibphilosophie‘. Ausgehend von alldem wird die sukzessive Aufwertung der poetischen Form im Verlauf der Literarischen Moderne diskutiert. Erwartet wird die vorbereitende Lektüre, die regelmäßige, aktive Teilnahme und die Mit-Leitung einer Sitzung. Alle relevanten Dokumente werden digital zur Verfügung gestellt.
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