Kommentar |
In diesem Seminar wird es darum gehen, Fragen nach Autorität und der Veränderung von Autoritätsverhältnissen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts unter einer im engeren Sinne bildungshistorischen Perspektive zu diskutieren. In der Zeitgeschichte wie aber auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung, z.B. der Werteforschung, gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass Autorität im Laufe der „langen“ 1960er Jahre in der Bundesrepublik fragwürdiger wird; es entstand eine „antiautoritäre Bewegung“ und autoritäre Verhältnisse wurden scharf kritisiert. Beobachtbar scheint ein Autoritätsverlust der Eltern, der Lehrkräfte, der Erwachsenen und auch der in Schule zu vermittelnden Sachverhalte. Intergenerationale Verhältnisse wurden sehr viel informeller; Autorität – so wird es etwa anhand von Spielfilmen über Schulen aus den 60er Jahren analysiert – musste je neu unter Einsatz ihrer ganzen Persönlichkeit von den Pädagog*innen erkämpft werden. Ob, in welcher Weise und wann sich Wandlungen im Generationenverhältnis und im Hinblick auf Autoritätsverhältnisse auch in der DDR vollziehen, muss untersucht werden. Die Jahre „nach dem Boom“ (Doering-Manteuffel/Raphael), nach einer konservativen Wende zu Beginn der 1980er Jahre in der Bundesrepublik haben – entsprechend dem Stand der bisher nicht sehr umfangreichen Forschung – in diesen Fragen kein Rollback erzeugt.
Zunächst werden wir im Seminar eine vorläufige Konzeption von Autorität als eines für Erziehung zentralen (asymmetrischen) Anerkennungs- und Differenz-Verhältnisses erarbeiten, die uns für die folgenden Untersuchungen als Heuristik dienen kann. Anschließend versuchen wir anhand von zeithistorischer und bildungshistorischer Forschungsliteratur und mit Hilfe sehr unterschiedlicher Quellen (Lehrerpresse, Schüleräußerungen, z.B. in Schülerzeitungen, Daten aus der empirischen sozial- und bildungswissenschaftlichen Forschung u.a.) zu eruieren, ob und in welcher Weise sich ein Wandel von Autoritätsverhältnissen zwischen erwachsenen Pädagog*innen und Kindern und Jugendlichen in Familien und Schulen zwischen 1945 und heute geändert haben.
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Literatur |
Alfred Schäfer, Christiane Thompson (Hrsg.) (2009): Autorität, Paderborn: Schöningh.
Baader, Meike S./Casale, Rita (Hrsg.) (2018), Generationen- und Geschlechterverhältnisse in der Kritik: 1968 Revisited (= Jahrbuch für Historische Bildungsforschung. Bd. 24), Bad Heilbrunn.
Sonja Levsen: Autorität und Demokratie (2019): Eine Kulturgeschichte des Erziehungswandels in Westdeutschland und Frankreich, 1945-1975. Göttingen: Wallstein. |