Kommentar |
Die ästhetische Verortung und Entdeckung der Landschaft im 18. Jahrhundert geht einher mit ihrer produktiven und vielfältigen Einbettung in Texte und Bilder. Die Nutzung malerischer Auffassungen zur sprachlichen Umsetzung erlebter oder fiktionaler Gegenden hat immer wieder schöpferisches Potential freigelegt und herausgefordert. Landschaft und Landschaftssehen wird um 1800 in Reiseliteratur, Dichtung und Roman, aber auch in Theorie-Traktaten aufgegriffen und verhandelt. Als ein wichtiges Moment der künstlerisch-ästhetischen Gestaltung der Landschaftserfahrung tritt der Garten hinzu. In seiner für das 18. Jahrhundert maßgeblichen Ausprägung als Englischer Landschaftspark rekurriert er ebenso wie manche literarischen Zeugnisse auf eine Auseinandersetzung mit Wahrnehmungskonzepten, wie sich in Sichtachsen, Perspektiven und Aussichten ablesen lässt. Der gelenkte Blick des Betrachters nimmt die Landschaft mit den Augen des Gartenplaners wahr. Solchen malerisch-empfindsamen wie erhabenen oder didaktisch-aufklärerischen Horizonten begegnet man in den Gärten der Goethezeit und den sie flankierenden Textzeugnissen. Literarische Textbeispiele führen durch die Landschaften Wilhelm Heinses, Jean Pauls, Brentanos und anderer ebenso wie durch die geschilderten Gartenanlagen in Goethes Wahlverwandtschaften oder Rousseaus Nouvelle Heloise. Die theoretischen Überlegungen zur malerischen Landschaft und zur Gartengestaltung bei Diderot, Sulzer, Gessner, Carus, Schiller, Hirschfeld oder Pückler können darüber hinaus Gegenstand der Betrachtung sein. Garten und Landschaft um 1800 bilden damit in literarischen Texten nicht nur Hintergrund und Szenerie für Handlungen, sondern einen wichtigen Resonanzraum für Sprecher und Ereignisse sowie für die Verhandlung ästhetischer Positionen. Im Zuge der Etablierung des Englischen Landschaftsgartens wird Topographie selbst vice versa für Literatur rückgewonnen: Texte finden durch Inschriften, Wegweiser oder als Inszenierung Eingang in den hortologischen Gestaltungsraum: hier das vermeintliche Grabmal eines Dichters, da ein in den Stein geritzter Sinnspruch, dort eine Hütte als Replik auf einen Romanschauplatz. Das SE will sowohl solchen Texten in Gärten als auch Gärten und Landschaften in Texten, im Sinne einer Bestimmung von literarischen Topographien, nachgehen. Das SE versteht sich als forschungsorientierter Projektraum, um den zahlreichen interdisziplinären Aspekten, die Landschaft und Garten um 1800 bestimmend formieren, in gemeinsamen Lektüren, Diskussionen und Erkundungen nachzugehen. Die Bereitschaft zu regelmäßiger, semesterbegleitender Lektüre wird entsprechend vorausgesetzt. Semesterbegleitend werden fakultativ - so dies die pandemische Entwicklung und die damit verbundenen Vorschriften erlauben - Tagesausflüge in umliegende Gartenanlagen (Potsdam, Pfaueninsel, Tiergarten) unternommen. Eine zusätzlich stattfindene ca. 10tägige Exkursion zu Landschaftsgärten in Deutschland (Weimar, Wörlitz, Muskau, Bayreuther Eremitage, Seifersdorfer Tal, Wilhelmsbad etc.) in der vorlesungsfreien Zeit ist beantragt, steht aber unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Universität und den Einschränkungen zur Beherbergung aufgrund der COVID-19 Pandemie. |