Kommentar |
Gruppe 1: Erinnerung an den Nationalsozialismus
Fachdidaktischer Teil (Göbel): In der fachdidaktischen Teilveranstaltung stehen die vielfältigen Herausforderungen des Geschichtsunterrichts im 21. Jahrhundert im Mittelpunkt. Unter Berücksichtigung der inklusiven Pädagogik eignen sich die Studierenden fachdidaktisches Wissen und Arbeitstechniken an, die darauf vorbereiten, unterrichtsrelevante Fragestellungen zum Themenbereich Erinnerung an den Nationalsozialismus zu diskutieren und fachdidaktisch aufzubereiten.
Fachwissenschaftlicher Teil (Fabian):
Im Zentrum des Seminars stehen Erinnerungskulturen an den Nationalsozialismus. Es verbindet theoretische Zugänge mit der Untersuchung konkreter Erinnerungspraktiken in unterschiedlichen Kontexten wie Gedenkstätten, im öffentlichen Raum, in den Medien, aber auch jenseits der Öffentlichkeit.
Der Schwerpunkt wird auf den Erinnerungskulturen in der Bundesrepublik liegen. Die DDR und transnationale Ausblicke werden ebenfalls behandelt. Zentrale Aspekte werden das Zustandekommen und der Wandel von Erinnerungskulturen sein, die häufig mit kontroversgeführten Debatten einhergingen.
Gruppe 2: Disability, Devianz und Normalisierung in der Zeitgeschichte
Fachdidaktischer Teil (Sandkühler): Die menschenrechtliche Forderung nach der schulischen Inklusion eingeschränkter und behinderter Lerner wird geschichtsdidaktisch häufig als Appell weitergedacht, einen diversitätssensiblen Geschichtsunterricht zu verwirklichen und dem „Eigensinn“ der lernenden Subjekte endlich im vollen Umfang Rechung zu tragen. Geschichtstheoretisch und unterrichtssoziologisch gibt das Paradigma von Inklusion und Diversität allerdings Probleme auf, die in diesem fachdidaktischen Seminar diskutiert werden sollen. Ferner soll an ausgewählten Beispielen aus dem Parallelseminar von Herrn Graf die Pragmatik eines „Behinderung“/Disability thematisierenden Geschichtsunterrichts bedacht und planend simuliert werden.
Fachwissenschaftlicher Teil (Graf): Der gesellschaftliche Umgang mit Behinderung und abweichendem Verhalten hat sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts und bis in unsere Gegenwart hinein radikal gewandelt. Stand lange Zeit der Ausschluss Behinderter bis hin zur Vermeidung oder gar Vernichtung sogenannten „lebensunwerten Lebens“ im Zentrum sozialhygienischer Bestrebungen, wird seit den 1970er Jahren verstärkt ihre gesellschaftliche Teilhabe angestrebt. Dies ist unter anderem ein Effekt der diasbility-rights-Bewegung, der zufolge Behinderung keine natürliche Gegebenheit ist, sondern erst gesellschaftlich produziert wird. Mit der Ausweitung psychiatrischer Deutungsansprüche haben sich zudem die Grenzen dessen verschoben, was als krank und was als normal gilt, sofern sie nicht ganz negiert wurden. Anhand ausgewählter Beispiele sollen im Seminar die Wandlungen im Umgang mit Behinderung analysiert werden, wobei ein besonderer Fokus auf der Normalisierung einstmals pathologisierter Verhaltensweisen liegt, die jüngst unter dem Begriff der Neurodiversität diskutiert wird. |
Literatur |
Gruppe 1: Erinnerung an den Nationalsozialismus
Fachdidaktischer Teil (Göbel):
- Sandkühler, Thomas/ Bühl-Gramer, Charlotte/ John, Anke/ Schwabe, Astrid (Hg.): Geschichtsunterricht im 21. Jahrhundert. Eine geschichtsdidaktische Standortbestimmung, 2018 (=Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, Bd.17).
Fachwissenschaftlicher Teil (Fabian):
- Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2006.
- Christoph Cornelißen, Lutz Klinkhammer, Wolfgang Schwentker (Hg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945. Frankfurt am Main 2003.
- Ulrike Jureit, Christian Schneider, Margrit Frölich (Hg.): Das Unbehagen an der Erinnerung. Wandlungsprozesse im Gedenken an den Holocaust. Frankfurt am Main 2012.
Gruppe 2: Disability, Devianz und Normalisierung in der Zeitgeschichte
Fachdidaktischer Teil (Sandkühler):
- Alavi, Bettina/Lücke, Martin (Hrsg.): Geschichtsunterricht ohne Verlierer!? Inklusion als Herausforderung für die Geschichtsdidaktik, Schwalbach a. T. 2016
- Barsch, Sebastian/Hasberg, Wolfgang (Hrsg.): Inklusiv – Exklusiv. Historisches Lernen für alle, Schwalbach a. T. 2014
- Barsch, Sebastian u.a. (Hrsg.): Handbuch Diversität im Geschichtsunterricht. Inklusive Geschichtsdidaktik, Frankfurt a. M. 2020
- Kühberger, Christoph/Schneider, Robert (Hrsg.): Inklusion im Geschichtsunterricht. Zur Bedeutung geschichtsdidaktischer und sonderpädagogischer Fragen im Kontext inklusiven Unterrichts, Bad Heilbrunn 2016.
- Sandkühler, Thomas: Für wen? Verschiedenheit, Inklusion und Exklusion. Einführung in die Sektion, in: Ders. u. a. (Hrsg.): Geschichtsunterricht im 21. Jahrhundert. Eine geschichtsdidaktische Standortbestimmung, Göttingen und Bonn 2018, S. 177-187
Fachwissenschaftlicher Teil (Graf):
- Georges Canguilhem, Das Normale und das Pathologische, München 1976.
- James I. Charlton, Nothing About Us Without Us. Disability Oppression and Empowerment, Berkeley 1998.
- Elsbeth Bösl/Anne Klein/Anne Waldschmidt (Hrsg.), Disability history. Konstruktionen von Behinderung in der Geschichte. Eine Einführung, Bielefeld 2010.
- Gabriele Lingelbach/Anne Waldschmidt (Hrsg.), Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche? Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Zeitgeschichte, Frankfurt 2016.
- Steve Silberman, NeuroTribes. The legacy of autism and the future of neurodiversity, New York, NY 2015.
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