Kommentar |
Die ersten Einheiten unseres Seminars werden zunächst in die Herangehensweise der Phänomenologie einführen – wobei wir unter Phänomenologie nicht nur jene von Edmund Husserl inaugurierte und die von Denker*innen wie Maurice Merleau-Ponty fortgesetzte philosophische Strömung verstehen, sondern durchaus auch außereuropäische Ansätze, wie etwa die der vedāntischen Kunsttheorien miteinbeziehen. Anschließend werden wir uns grundlegend mit einer Phänomenologie der Wahrnehmung beschäftigen: Wie ist es überhaupt möglich, dass Dinge als solche wahrgenommen werden können, dass sie uns ansprechen, angehen und zwar immer schon als ein bedeutungsbeladener Inhalt. Welche Rolle spielt hierbei das zeitliche, räumliche wie auch das (vor-)prädiktive und synthetisierende Vermögen? Der Leibphänomenologie und ferner dem Rasa-Diskurs der indischen Philosophien folgend werden wir hierbei insbesondere auch ein Augenmerk auf die Frage der Stimmung, der Affekte und Befindlichkeiten richten, welche in der Konstitution von Wahrnehmungsinhalten eine zentrale und doch selten eigens thematisierte Rolle spielen. In einem letzten Schritt, der den Hauptteil unseres Seminars darstellen soll, gilt es schließlich, das Erarbeitete im Kontext ikonischer Perzeption bzw. Apperzeption zu betrachten und dabei die Differenz auszuarbeiten, welche das Bild von einer »gewöhnlichen« Wahrnehmung abhebt und gleichsam das Bild als Bild stiftet. D.h. wir werden uns mit der Bildkonstitution im Horizont erlebter Erfahrung beschäftigen, mit jenem strukturellen Verhältnis, welches in der klassischen Phänomenologe als die Triade von »Bildgegenstand-Bildinhalt-Bildsujet« beschrieben wurde. Anhand von ausgewählten Bildern (aus unterschiedlichen »Bildgattungen«) wollen wir schließlich jene bildphänomenologische Herangehensweise konkret anwenden – gewissermaßen den phänomenologischen Blick einüben, praktizieren – aber als auch ihre Grenzen und Unmöglichkeiten ausloten, problematisieren und eventuelle Lösungsvorschläge ausarbeiten. |
Literatur |
Alloa, Emmanuel (Hg.) (2013): Erscheinung und Ereignis. Zur Zeitlichkeit des Bildes. München: Fink; Ates, Murat (2018): »Rasas. Grundstimmungen ästhetischer Wahrnehmung«, in: Georg Stenger u.a. (Hg.): Facetten gegenwärtiger Bildtheorie. Interkulturelle und interdisziplinäre Perspektiven. Springer: Wiesbaden, S. 125–144; Barlingay, Surendra Sheodas (2007): A Modern Introduction to Indian Aesthetic Theory: The Development from Bharata to Jagannātha. Delhi: D.K. Printworld; Boehm, Gottfried (2010): Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin: Berlin UP; Därmann, Iris (1995): Tod und Bild. Eine phänomenologische Mediengeschichte. München: Fink.; Didi-Huberman, Georges (1992): Was wir sehen, blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes. München: Fink 1999; Elberfeld, Rolf/Wohlfart, Günter (Hg.): Komparative Ästhetik. Künste und ästhetische Erfahrung zwischen Sein und Europa. Köln: edition chôra; Husserl, Edmund (1912): „Zur Lehre von Bildbewusstsein und Fiktionsbewusstsein“, in: Ders.: Phantasie und Bildbewusstsein, Erinnerung. Zur Phänomenologie der anschaulichen Vergegenwärtigungen. Texte aus dem Nachlass (1898‒1925). Husserliana Bd. 23, Den Haag: Nijhoff, S. 486–494; Jullien, Francois (2003): Das große Bild hat keine Form, oder: Vom Nicht-Objekt durch Malerei. Essay zur Desontologisierung, München: Fink 2005; Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung, Walter de Gruyter: Berlin, 1966; Merleau-Ponty, Maurice (1961): „Das Auge und der Geist“, in: Ders.: Das Auge und der Geist. Hamburg: Meiner; Münnix, Gabriele (2018): Das Bild vom Bild. Bildsemiotik und Bildphänomenologie in interkultureller Perspektive. Freiburg: Alber; Nancy, Jean-Luc (2003) Am Grund der Bilder. Zürich/Berlin: diaphanes 2006; Pollock, Sheldon (2016): A Rasa Reader: Classical Indian Aesthetics. New York: Columbia UP; Stenger, Georg (2016): „Verkörpertes Bilddenken, oder: Vom Aufstand der Körper“, in: Nielsen, Cathrin/Novotny, Karl/Nenon, Thomas (Hg.): Kontexte des Leiblichen. Nordhausen: Bautz, S. 275–298; Stenger, Georg/ Graneß, Anke/ Seitz, Sergej (Hg.) (2018): Facetten gegenwärtiger Bildtheorie. Interkulturelle und interdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: Springer; Waldenfels, Bernhard (2010): Sinne und Künste im Wechselspiel. Modi ästhetischer Erfahrung. Berlin: Suhrkamp; Wiesing, Lambert (2000): Phänomenologie des Bildes nach Edmund Husserl und Jean-Paul Sartre, in: L. Wiesing: Phänomene im Bild. München, S. 255-281; Zahavi, Dan (2009): Husserls Phänomenologie. Stuttgart: UTB; Zanella, Ines Caroline (2004): Kolonialismus in Bildern. Bilder als herrschaftssicherndes Instrument mit Beispielen aus den Welt- und Kolonialausstellungen. Frankfurt am Main: Lang. |
Bemerkung |
Termine:
Freitag, 04.09.2020, 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr (Vorbesprechung)
Montag, 14.09.2020, Freitag, 18.09.2020, Montag, 21.09.2020 (Blocktermine, jeweils von 11:30 Uhr bis 19:00 Uhr)
Die Anmeldung erfolgt bis zum 01.09.2020 per Einschreibung in den Moodle-Kurs "Phänomenologie der Bildwahrnehmung" (siehe oben angezeigten Moodle-Link). Das Kennwort lautet: Gerichtetheit
Teilnahmebegrenzung: 20 Personen.
Sollte es zu viele Anmeldungen geben, wird ein Auswahlverfahren notwendig sein. Die/der Seminarleiter/in wird sich in diesem Fall über den Moodle-Kurs mit Ihnen in Verbindung setzen und Sie über Auswahlkriterien, wie z.B. Kenntlichmachung von Dringlichkeit, informieren. |