Kommentar |
Während der Coronakrise waren viele Kirchenangehörige mannigfach öffentlich aktiv: Publikumswirksam wurden Gottesdienste gemeinsam mit muslimischen und jüdischen Geistlichen im Fernsehen ausgestrahlt, in Gemeinden wurden Besuchs- und Einkaufsdienste eingerichtet, im Religionsunterricht Corona als 'Strafe Gottes' oder die Theodizeefrage erörtert, Pfarrer*innen boten 'Predigten to Go', Zoom- und Telefongottesdienste oder Predigtaufzeichnungen aus leeren Kirchen mit den Fotos ihrer Gemeindeglieder an, Posaunenchöre spielten öffentlich vor Pflegeheimen - und die Medien berichteten darüber.
Gleichzeitig entspann sich eine öffentliche Kontroverse, weil sich Leitungsorgane der Kirchen mit dem Besuchsverbot auch von Seelsorgenden bei Pflegebedürftigen und Sterbenden, dem Verbot von Trauerfeiern und Gottesdiensten in Personalpräsenz einverstanden erklärt hatten und theologische Kommentare ausblieben - oder nicht ausblieben: Systematiker wie Ulrich Körtner oder Günther Thomas konstatierten mangelnde Systemrelevanz, Politikerinnen wie Christine Lieberknecht und Publizistinnen wie Evelyn Finger beklagen ein 'Versagen' und 'sich-Kleinmachen' der Kirchen, dem überbordende unrealistische Geltungsansprüche gegenüberstünden.
Das gibt Anlass zu der Frage, wie die Praxisformen einer öffentlichen Theologie, einer öffentlichen Religion und Kirche aussehen - und ob sie theologisch angemessen sind. Im Seminar wollen wir diesen Fragen in einer Verbindung von systematischen und praxeologischen Zugriffen nachgehen, indem wir Texte und Praxisformen analysieren. |
Literatur |
Florian Höhne, Frederike van Oorschot, Grundtexte Öffentliche Theologie, Leipzig 2015; Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive, Zeitschrift für Soziologie Jg. 32, Heft 4 (2003), 282-301; weitere Literatur wird auf Moodle bereitgestellt. |