Kommentar |
Mit der Erforschung der Vergangenheit befassen sich viele Fächer: Geschichtswissenschaft, Archäologie, Anthropologie, Geologie, Ethnologie, Kulturwissenschaften – und in den letzten Jahren verstärkt auch einige Biowissenschaften. Die Vorlesung stellt die Vergangenheitsforschung in ihrer historischen Gewordenheit vor: Wie entstanden die jeweiligen Erkenntnisinteressen, Methoden und Forschungspraktiken, die Orte von Wissenschaft, die Maßstäbe wissenschaftlicher Rationalität und die fachlichen Selbstverständnisse? Wir erleben dabei Wissenschaft als gesellschaftliche Institution und kulturelle Praxis und werden aufmerksam auf die gesellschaftlichen Ursachen und Auswirkungen der wissenschaftlichen Wissensproduktion. Wir sehen, dass Erkenntnis – wie jede soziale Aktivität – gesellschaftlich formatiert wird und erfahren etwas über die Ressourcen und Kontexte, die Erkenntnis prägten. Trotz aller Ausdifferenzierung und Konkurrenz gab es stets auch Kooperationen und Allianzen. Mathematik, Statistik, Metallurgie, Botanik, Chemie und andere haben im Lauf des 20. Jahrhunderts zum Beispiel immer wieder ihre Daten und Verfahren der Geschichtswissenschaft und Archäologie zur Verfügung gestellt. Der Anspruch der neu in die Vergangenheitsforschung eintretenden biowissenschaftlichen Fächer Populationsgenetik und Molekularbiologie ist aber größer, denn beispielsweise die Genetic History versucht, mit exakten und nachprüfbaren naturwissenschaftlichen Verfahren und harten Evidenzen die Vergangenheit zu erklären, zugleich aber auch für soziokulturelle Sinnstiftung zu übernehmen – eine Aufgabe, die einstmals, vereinfacht ausgedrückt, im Ausschlussverfahren den Geisteswissenschaften überlassen wurde. Konflikte waren die Folge und auch politisch und ethisch brisante Fragen sind aufgetaucht. Das Potential einer interdisziplinären Vergangenheitsforschung auf Augenhöhe ist aber groß. Damit sie gelingt, ist es sinnvoll, die wissenschaftshistorischen und erkenntnistheoretischen Hintergründe zu kennen.
Bei Fragen oder Interesse an der Teilnahme nehmen Sie bitte Kontakt mit der Lehrenden auf: elsbeth.boesl(at)unibw.de
Aufgrund der aktuellen Situation ist eine Teilnahme am Kurs auch nach dem Verstreichen der Einschreibefrist unter Umständen noch möglich. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich per Mail an die Lehrenden. |