Kommentar |
Der US-amerikanische Künstler Ed Ruscha ist als Vertreter der Konzeptkunst in den kunsthistorischen Kanon eingegangen. Insbesondere seine Künstlerbücher der 1960er und frühen 1970er Jahre wurden von Künstler*innen und Kritiker*innen gleichermaßen als Prototypen für konzeptuelle und institutionskritische künstlerische Praxis gehandelt. Das Streets of Los Angeles-Archiv des Künstlers, von dessen Existenz die Kunstwelt erst seit seinem Ankauf 2012 durch das Getty Research Institute (GRI), Los Angeles weiß, bringt diese eindeutige kunsthistorische Zuschreibung ins Wanken. Die weit über 500.000 Fotografien der Stadt Los Angeles, die Ruscha im Laufe der vergangenen sechs Jahrzehnte produziert hat, und die momentan durch das GRI digitalisiert und aufbereitet werden, stellen die Kunstgeschichte vor technische, methodische, disziplinäre und wissenschaftsethische Herausforderungen. Wie kann man eine derartige Masse an Bilddaten sinnvoll verwalten? Lassen sie sich zum „Werk“ Ruschas hinzurechnen, obwohl der Künstler selbst nur einen Bruchteil dieser Fotografien hergestellt, entwickelt oder weiterverarbeitet hat? Darf man andere Fragen an sie richten, beispielsweise zur Entwicklung des städtischen Raumes von Los Angeles? In welchem Verhältnis steht der massive finanzielle Aufwand des Digitalisierungsprojekts zu den wissenschaftlichen Fragen, die an das Material gerichtet werden?
Im Rahmen dieser praxisorientierten Lehrveranstaltung haben die Studierenden noch vor der offiziellen Freigabe des Archivs Gelegenheit, mit dem digitalisierten Archiv zu arbeiten und eigene Fragen an das Material zu entwickeln. Kollegen des Digital Humanities Lab der Yale University, New Haven, bieten dabei technische Unterstützung für die Generierung und Visualisierung eigener Datensätze. Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit am Archiv sollen für eine mögliche online-Publikation aufbereitet werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Partizipation an diesem Seminar sind die Teilnahme an allen sechs Blocksitzungen, selbständiges, problemorientiertes und verantwortungsbewusstes Arbeiten allein und in der Gruppe sowie professionelle Kommunikation in englischer Sprache mit den Kolleg*innen der beteiligten Forschungseinrichtungen in den USA. |
Literatur |
Benjamin H. D. Buchloh, Conceptual Art 1962-69: From the Aesthetics of Administration to the Critique of Institutions, in: October 55 (Winter 1990): 105-143; Claus Pias, Das digitale Bild gibt es nicht. Über das (Nicht-)Wissen der Bilder und die informatische Illusion, in: Zeitenblicke 2/1 (2003). http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/01/pias/index.html; Ed Ruscha, Leave Any Information at the Signal: Writings, Interviews, Bits, Pages, Cambridge: MIT Press 2002; Martino Stierli, Las Vegas im Rückspiegel. Die Stadt in Theorie, Fotografie und Film, Zurich: gta Verlag 2010; Robert Venturi/Denise Scott Brown/Steven Izenour, Learning from Las Vegas: the forgotten symbolism of architectural form, Cambridge: MIT 1977. |
Bemerkung |
Die erste Sitzung findet am Freitag, 24.04.2020, 9 bis 12 Uhr, statt. Weitere Termine: 15.05.2020, 29.05.2020, 12.06.2020, 26.06.2020, 10.07.2020.
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