Kommentar |
Der moderne Roman, wie wir ihn heute kennen, entsteht nach einer verbreiteten Forschungsposition im 18. Jahrhundert. Dass Texte wie Defoes Robinson Crusoe, Richardsons Pamela, Wielands Agathon oder Goethes Werther heute noch gelesen werden oder zumindest zum Kanon europäischer ‚Weltliteratur‘ zählen, verleiht diesem Befund zusätzliche Plausibilität. Das Seminar will jedoch weiter zurückgreifen, um zu erkunden, wie sich unterschiedliche moderne Erzählstrategien bereits im späten 16. und vor allem im 17. Jahrhundert formieren: etwa in der Adaption von (auto-)biographischen Formen, der Anlehnung an Historien-, Schelmen-, Romanzen- oder Abenteuerliteratur, der Aufnahme journalistischer Formate, der Fokussierung prosaischer, ‚niederer‘ Wirklichkeiten, im Interesse für menschliche Psychologie im Widerstreit von Vernunft und Gefühl, aber auch mit scharfem Blick auf Realitäten der jeweiligen politischen und konfessionellen Gegenwart.
Wir wollen im Seminar Texte der englisch-, deutsch- und französischsprachigen Erzählliteratur lesen, darunter voraussichtlich Thomas Nashe, The Unfortunate Traveller, Johann Beer, Teutsche Winternächte und Die kurtzweiligen Sommer-Täge, Aphra Behn, Oroonoko und Marie-Madeleine de La Fayette, La Princesse de Clèves, weiterhin einige zeitgenössische poetologische Texte. Das endgültige Pensum wird zu Beginn des Seminars bekannt gegeben.
Im Anschluss an die wöchentlichen Seminarsitzungen wird für Studierende des MA English Literatures zweiwöchentlich eine Vertiefungsveranstaltung (Lektürekurs als Modulteil) angeboten, in der vor allem zusätzliche Forschungsliteratur präsentiert und gelesen wird. Studierende des MA Europäische Literaturen sind dazu ebenfalls eingeladen, und auch Studierende des MA Deutsche Literatur können im Rahmen des Moduls 10 (Vertiefung) teilnehmen. Das Seminar findet überwiegend in deutscher Sprache statt; einzelne Sitzungen des Lektürekurses können auf Englisch gehalten werden. |