Kommentar |
Gegenstand dieses Seminars ist einer der bedeutsamsten Denker des Mittelalters, der Mönch, Theologe und Kirchenvater Bernhard von Clairvaux – jener Bernhard, den Dante in der Göttlichen Komödie als seinen Begleiter in den letzten Stationen des Weges im Paradies bis zur Gottesschau darstellt – und dessen vielleicht wichtigstes und für die Geschichte der mittelalterlichen Theologie einflussreichstes Werk, nämlich Über die Besinnung (De consideratione). Dieses Werk wurde von Bernhard in seinen letzten Lebensjahren geschrieben und stellt in mehrfacher Hinsicht das vollkommenste Ergebnis seiner theologischen Untersuchungen sowie auch eine der höchsten Erscheinungsformen seines mystischen Ansatzes zur Gotteserkenntnis dar. Das ganze Werk ist Papst Eugen gewidmet und als eine Exhortation zum besonnenen und heiligen Leben gemeint; es muss als ein Versuch, das kirchliche Leben zu beeinflussen, verstanden werden. Das fünfte Buch dieses Werkes geht thematisch über diese eher praktischen und ekklesiologischen Ziele hinaus und bietet eine der faszinierendsten Erörterungen der Frage nach der Gotteserkenntnis, die nicht nur im Rahmen der christlichen Theologie, sondern auch im Rahmen der abendländischen Philosophie entwickelt wurden. Denn dieses Buch, das als Einladung an den Papst anfängt, sich auf das zu besinnen, was über ihm ist, nämlich die unsichtbare Welt der reinen Geister – die Engel und Gott selbst –, ist eine Abhandlung über die Wege und Vorgangsweisen, die mithilfe von Vernunft und Offenbarung zur Erkenntnis der geistigen Wirklichkeit, vor allem aber Gottes – des absoluten Geistes –, führen. In diesem Zusammenhang behandelt Bernhard Fragen der Engels- und Dreifaltigkeitslehre sowie der Christologie. Was aber absolut charakteristisch für dieses Buch ist, ist die von Bernhard ausdrücklich betonte Verbindung zwischen Gotteserkenntnis, mystischem Erlebnis des Schönen und Ästhetik des Lichtes. Das Seminar wird die Möglichkeit bieten, einen Blick in die geistige Welt des Bernhard zu werfen und einige Grundaspekte seines Gottes- und Weltbildes näher zu betrachten.
Text: Gerhard B. Winkler (Hrsg.), Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke (Lat./Dt.), Band 1, Innsbruck 1990, S. 612-841.
Eine vollständige Literaturliste wird am Anfang des Semesters zur Verfügung gestellt.
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