Kommentar |
Die globale ökologische Krise ist ein Gesundheitsnotfall planetaren Ausmaßes. Einerseits gefährdet die gegenwärtige Umweltzerstörung ernsthaft die Integrität des komplexen Ökosystems Erde, etwa in Form von Klimawandel, Luft-, Chemie und Plastikverschmutzung oder den Verlust von Biodiversität. Andererseits gefährdet Umweltzerstörung zunehmend menschliche Gesundheit, etwa durch Mangelernährung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten oder psychische Belastungen. Zugleich verstärkt Umweltzerstörung strukturelle Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten: Menschen, die sozioökonomisch und gesundheitlich ohnehin benachteiligt werden (etwa zu Flucht gezwungene Personen), sind besonders vulnerabel für die gesundheitlichen Gefahren. Die verschiedenen Aspekte von Umweltzerstörung sind dabei Symptome nicht-nachhaltiger Wirtschafts- und Lebensweisen.
Die neue wissenschaftliche Disziplin Planetary Health erweitert den Gesundheitsbegriff auf den Planeten Erde. Dabei wird ein breites Spektrum an Determinanten einbezogen und Gesundheit in ihren untrennbaren gesellschaftlichen und ökologischen Kontexten betrachtet. Planetary Health will die Wechselwirkungen zwischen der Gesundheit des Ökosystems Erde und menschlicher Gesundheit begreifen und nachhaltige Lösungen und Narrative für eine symbiotische Beziehung von Mensch und nicht-menschlicher Mitwelt entwickeln.
Angesichts fortschreitender Umweltzerstörung, wachsender globaler Protestbewegungen und immer stärkerer Forderungen nach einer grundlegenden Transformation menschlicher Gesellschaften gewinnt die interdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen von Planetary Health zunehmend an Bedeutung. Das Projekttutorium sieht sich als Teil hiervon.
Im ersten Teil (Wintersemester 2019/20) liegt unser Schwerpunkt auf der kritischen inhaltlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der ökologisch-gesundheitlichen Krise aus unterschiedlichen Perspektiven. Wir lernen gemeinsam mit selbst gewählten Methoden der interaktiven Gruppenarbeit auf Grundlage wissenschaftlicher Literatur. Ausgehend von den Konzepten der Planetaren Belastungsgrenzen und der Planetaren Gesundheit werden wir kritische Ansätze wie Feministische Politische Ökologie, Critical Sustainability und Umweltgerechtigkeit besprechen. Wir bearbeiten szenarien-basierte Fallstudien zu Umwelt-Gesundheits-Wechselwirkungen und entwickeln ein Netzwerkschema zum Nexus der Planetaren Gesundheit.
Im zweiten Teil (Sommersemester 2020) werden wir unsere gewonnen Kenntnisse praktisch anwenden. Wir konzipieren in Kleingruppen unter dem Thema „Planetary Health – Global gedacht, lokal gemacht" kritische Exkursionen in Berlin und Umland mit selbst gewählten inhaltlichen Schwerpunkten. Wir wollen uns dabei gegenseitig globale Zusammenhänge der Planetaren Gesundheit im lokalen Kontext anhand konkreter Beispiele erleb- und begreifbar machen. Im Laufe des Semesters werden wir unsere vorbereiteten Exkursionen mit allen Teilnehmenden gemeinsam durchführen, besprechen und dokumentieren.
Es werden keine Vorkenntnisse vorausgesetzt. Studierende aller Fachrichtungen sind herzlich eingeladen! Anmeldung zum Projekttutorium bitte über AGNES und per E-Mail an: oskar.masztalerz@gmail.com
Themen und Inhalte:
Konzepte und Perspektiven: Anthropozän, Great Acceleration, Planetary Boundaries, Planetary Health; Urbanisierung (Ursachen, Entwicklungen, Projektionen, Urban Health Advantage), Critical Susatinability (Kapitalismus, soziale Ungleichheit und Umweltzerstörung, kritische Perspektiven auf Nachaltigkeit), Umweltpsychologie, Feministische Politische Ökologie (Entwicklungslinien, Forderungen und Perspektiven), Ernährungssysteme (konventionelle und nachhaltige Landwirtschaft, Einflüsse auf Umwelt und Gesundheit), Umweltgerechtigkeit (Disparitäten von Treibhausgas-Emissionen und Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel), Große Transformation (Transformationsprozesse, Nachhaltigkeit als Leitbild, Rolle von Narrativen; Rolle der Wissenschaft);
Mensch und Planet: Luftverschmutzung (Emissionen durch Verkehr, Energieerzeugung und Brandrodung), Klimawandel (globale Erwärmung, regionale Klimaänderungen, Kippelemente, Klimaszenarien), Chemie- und Plastikerschmutzung (Verursachende, Ausmaße, Akkumulation in Ökosystemen), Biodiversität (Artenverlust, Pufferfunktionen und Resilienz, positive Gesundheitseffekte), Landnutzungswandel (ökologische Konsequenzen durch veränderte Landnutzungen, z.B. Entwaldung);
Planet und Mensch: Fallstudien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Krebserkrankungen, Mangelernährung, Wassermangel und psychischen Belastungen; gewaltsame Konflikte und Flucht als Folgen des Klimawandels; sozioökonomische Benachteiligung als räumlicher und individueller Vulnerabilitätsfaktor, Grundlagen sozialräumlicher Umweltpolitik mit Schwerpunkt Gesundheit, Gesundheitsschutz im Anthropozän.
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