Kommentar |
Das Werk des Malers, Bildhauers, Architekten und Dichters Michelangelo Buonarroti (1475-1564) entstand in einer Epoche von systemerschütternden religiösen Debatten, Umwälzungen und Neuaufbrüchen. Dementsprechend sind religiöse Themen und Motive in Michelangelos Schaffen allgegenwärtig. Seitdem Michelangelos Kunst existiert, wird allerdings sehr kontrovers darüber gestritten, welcher religiösen Richtung sie zuneigt. Insbesondere im Blick auf die Fresken der Sixtinischen Kapelle entbrannte eine heftige Kontroverse darüber, ob Michelangelo hier eine protestantische Gnadentheologie an die Wände der Palastkapelle des Papstes gemalt hat. Andere sehen stattdessen viele Belege für Michelangelos gegenreformatorische Orthodoxie oder interpretieren seine Kunst als Ausdruck einer neuplatonischen Mystik.
Im Seminar sollen Primärtexte aus dem unmittelbaren Umfeld des Künstlers gelesen werden, wie etwa die Programmschrift des italienischen Evangelismo „Beneficio di Cristo“ von 1543. Um Michelangelos persönliche Religiosität auszuloten, werden ausgewählte Briefe und Gedichte von ihm selbst herangezogen. Und in methodischer Hinsicht wird es stets um die Frage gehen, auf welche Weise bildliche Quellen überhaupt kirchen- bzw. theologiehistorisch zu interpretieren sind.
Ein inhaltlicher Fokus wird auf der theologischen Anthropologie liegen, wie sie sowohl im bildlichen wie lyrischen Werk Michelangelos anzutreffen ist: Was macht nach Michelangelo das „Wesen“ des Menschen aus? Wie sieht er das Verhältnis des Menschen zu Gott und seiner Gnade? Welche heilsgeschichtliche Rolle wird in dieser Kunst Jesus Christus, Maria und den Heiligen zugeschrieben? Und wie positioniert sich Michelangelo auf dem Feld der drängendsten Frage seiner Zeit, nämlich der nach der Bedeutung menschlicher Werke und menschlicher Freiheit im Prozess von Rechtfertigung und Erlösung? |
Bemerkung |
Das Proseminar findet blockweise, jeweils 10-14 Uhr, an folgenden Terminen statt: 03.12.19, 10.12.19, 17.12.19, 07.01.20, 14.01.20, 21.01.20, 28.01.20, 04.02.20. |