Die VL fragt nach dem Wissen der Literatur. Dies zu tun, setzt voraus, daß sich diese Formulierung nicht von selbst versteht. Gibt es also so etwas wie ein spezifisches Wissen, das in der Literatur anzutreffen ist? Eine erste Antwort auf diese Frage könnte lauten: Das Wissen der Literatur ist das geschichtliche Verstehen des Menschen und seiner Lebensäußerungen. So hat es jedenfalls das 19. Jahrhundert gesehen und der Literatur daher eine maßgebliche Rolle im Gefüge der Geisteswissenschaften zuerkannt. Auch heute ist diese Aufgabenbeschreibung keineswegs obsolet, allerdings stellt sich durch die zunehmende Präsenz von technischem Denken und technischen Objekten im Alltag die Ausgangslage für die Literaturwissenschaft gänzlich anders dar. Denn der Mensch erscheint nunmehr zugleich als Produzent und Bewohner einer ‚zweiten Natur‘, die ganz neue Abhängigkeiten mit sich bringt. So bewegt er sich nicht allein in einer Welt aus semantischen Zusammenhängen, sondern immer auch in einem Geflecht von materiellen und funktionalen Bedingungen, die ihre eigene Geschichtlichkeit besitzen. Dieser Wandel der Lebenswelt, der ein Prozeß der Verwissenschaftlichung und Technisierung ist, läßt sich in der Literatur gleichsam seismographisch nachvollziehen. Die Vorlesung wird dies anhand von ausgewählten Textbeispielen (u.a. Schiller, Kleist, Hoffmann, Kafka, Musil, Benn, Brecht, Enzensberger) zeigen und dabei in die Grundlagen und das Verfahren einer wissensgeschichtlichen Lektüre von Literatur einführen.
Dies ist eine VL, die an der TU Berlin stattfindet und für Studierende der HU geöffnet ist:
Do 16-18 Uhr, TU Berlin, Hauptgebäude, Straße des 17. Juni 135, Raum H 1028.