Kommentar |
Ein bekanntes italienisches Sprichwort besagt „Vedi Napoli e poi muori!“ – Neapel sehen und sterben! Für das reisende wie schreibende 18. und 19. Jahrhundert ist die kampanische Stadt ein Ort vielfältiger Auseinandersetzung und emotionaler Überwältigung, was in unterschiedlichen literarischen Zeugnissen und Dokumenten aufscheint: Die Erfahrung von Alterität zwischen den Fremden und den herumlungernden Lazzaroni, die Begegnung mit den Ruinen der Antike, katholischen Blutwundern, Krippenbaumeistern, Vulkanen oder Blauen Grotten bilden mögliche Ankerpunkte für die Formierung eines kulturellen Gedächtnisses und verbinden sich mit Orten, Landschaften und Räumen. Kontraste und historische Schichtungen konstiuieren dabei eine Stadt- und Landschaftserfahrung, die in unterschiedlicher Weise in literarischen Topographien kartographiert werden kann. Im SE soll der Frage nachgegangen werden, in welcher Form Wissen und Ästhetik sich mit der Realtopographie Neapels in den Zeugnissen europäischer Reisender, Dichter und Erzähler verbindet und wie diese mitunter mehrfach überschrieben werden kann. Gesucht werden Muster und Singularitäten, Relevanzen und Marginalitäten, die Literatur und Topographie miteinander in ein Korrespondenz- oder Konkurrenzverhältnis setzen.
Dabei sollen unterschiedlichste Stimmen und Blickwinkel auf die Stadt am Vesuv erschlossen und analysiert werden; auch Autoren und Autorinnen, die weniger zum Kanon gezählt werden, so etwa August Kopisch, Willibald Alexis, William Beckford, Friederike Brun oder Germaine de Staël, werden in dieser Perspektivierung Berücksichtigung finden. Bei Interesse besteht die Möglichkeit, die Ergebnisse in eine digitale Umgebung zu überführen oder dies zu simulieren, den Textkorpus entsprechend annotiert aufzubereiten und Metadaten zu erheben, die eine semantische Auswertung z.B. über einen GeoDaten-Browser oder mit anderen Methoden der Digital Humanities ermöglichen (vgl. http://www.literaturatlas.eu/)
Ende September wird ausgehend von den im SE erarbeiteten Themen eine einwöchige Exkursion nach Neapel angeboten, die von der Humboldt-Universität teilfinanziert wird. Details zu Teilnahmebedingungen an dieser Zusatzveranstaltung werden im Laufe des Semesters ausgegeben. |