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Opfer//Täter-Inversionen. Textuelle und filmische Studien zu Täterhandeln und Gewalterfahrungen (Colloquium zum Forschungsseminar) - Detailseite

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Grunddaten
Veranstaltungsart Colloquium Veranstaltungsnummer 5328420
Semester SoSe 2019 SWS 2
Rhythmus keine Übernahme Moodle-Link https://moodle.hu-berlin.de/course/view.php?id=86703
Veranstaltungsstatus Freigegeben für Vorlesungsverzeichnis  Freigegeben  Sprache deutsch
Belegungsfrist Es findet keine Online-Belegung über AGNES statt!
Veranstaltungsformat Präsenz

Termine

Gruppe 1
Tag Zeit Rhythmus Dauer Raum Gebäude Raum-
plan
Lehrperson Status Bemerkung fällt aus am Max. Teilnehmer/-innen
Do. 16:00 bis 18:00 c.t. wöch 11.04.2019 bis 11.07.2019  0.03 (Seminarraum(Kulturwiss.))
Stockwerk: EG


Soph22 Institutsgebäude - Sophienstraße 22-22a (SO 22)

  findet statt     40
Gruppe 1:
 


Zugeordnete Person
Zugeordnete Person Zuständigkeit
Köhne, Julia , PD PD Dr. phil. verantwortlich
Studiengänge
Abschluss Studiengang LP Semester
Bachelor of Arts  Kulturwissenschaft Kernfach ( Vertiefung: kein LA; POVersion: 2014 )   -  
Master of Arts  Kulturwissenschaft Hauptfach ( Vertiefung: kein LA; POVersion: 2014 )   -  
Inhalt
Kommentar

Das Forschungsseminar widmet sich einer komplizierten Frage internationaler Gewalt- und Traumaforschung: der Umkehrung oder Aufweichung der binären Positionen von „Opfer“ und „Täter/in“. Die Spaltung in eine Opfer- und eine Täterseite ist bei der Bewertung, Ahndung und Bestrafung einer Gewalttat unumgänglich sowie rechtlich und moralisch jedenfalls geboten. Es gibt jedoch Fälle, in denen die notwendige Trennung in Geschädigte(r) und Schädigende/n nicht leicht zu erreichen ist. Etwa bei Racheakten oder Gewaltkettenbildung (vgl. F. Nietzsche: „Verletzung und Gegenverletzung“) werden entlang der zeitlichen Achse die Seiten getauscht; aus einem ehemaligen Opfer/einer/m Überlebenden wird ein Täter oder eine Täterin, oder vice versa. Besondere Aufmerksamkeit gilt der jeweiligen Perspektive und Positionierung (Selbst- oder Fremdwahrnehmung), die maßgeblich über eine Einordnung in Täterhandeln und Opfersein entscheidet. Das Seminar spürt solchen Grenzfällen in Annäherung an verschiedene Disziplinen und Wissensfelder nach: Neuropsychiatrie, Psychologie/Psychopathologie/Psychoanalyse (Psychotraumatologie), Soziologie, Kulturwissenschaft, Literatur-, Geschichts- und Politikwissenschaft, Bild-, Film- und Medienwissenschaft, Geschlechterforschung, Rechtswissenschaft und Kriminalanthropologie (z.B. operative Fallanalyse, Forensik).

Im Seminar werden theoretische Figuren erstens wie Victim blaming (unangebrachtes Schuldig- und Verantwortlichmachen der Opfer durch Dritte; Stigmatisieren, Reviktimisieren), Instrumentalisierung und Universalisierung des Opferstatus (durch Idealisieren, Heroisieren, Purifizieren und Sakralisieren oder Selbststilisierung als Opfer) (F. Lamott 2009), „Identifizierung des Opfers mit dem Angreifer“ (A. Freud) sowie Introjektion von Täteranteilen durch Opfer inklusive Scham- und Schuldgefühlen (M. Hirsch, M. Huber) geklärt. Zweitens werden Konstellationen wie situativ erzeugte Tötungsbereitschaft „ganz normaler Menschen“ (H. Welzer, St. Kühl), Täterschutz und -glorifizierung, post-atrocity Tätersymptome und transgenerationell übertragene Elemente von Opfersein oder Täterschaft untersucht. Zudem wird über Theorien zu struktureller und „symbolischer Gewalt“ (P. Bourdieu) und Herrschaftinstrumenten sowie mit Judith Butler und Michael Rothberg über Implicatedness reflektiert, die von direkt verantwortlicher Komplizenschaft bis hin zu komplexen Verwicklungen reicht.

Anhand historischer Fallstudien (historische Quellen wie Photographien, Interviews/Zeitzeug/innen-Berichte/Oral History oder fiktionale Epik) und (popkultureller) filmischer Artefakte (Dokumentationen, Spielfilme, TV- oder Internet-Serien, Internetauftritte etc.) fokussiert das Seminar auf ausgewählte Opfer- und Tätergestalten bzw. -gruppierungen (z.B. bei Genoziden) sowie staatliche Gewalt in unterschiedlichen zeitlichen, räumlichen und medialen Kontexten. Hierbei geraten Individualstraftäter, Serien- und Massenmörder und Täterkollektive ebenso ins Blickfeld wie Verfolgungs-, Missbrauchs-, Folter- und andere Gewaltopfer. Ziel ist es, durch Enttabuisierung und kritische selbstreflexive Gewaltanalysen Prozesse unsachlicher Idealisierung von Opfern ebenso zu erkennen wie symbolische Dehumanisierung von Täter/innen („Monster“, „Bestie“, „Dämon“) oder Leugnungs-, Relativierungs- und politische Appropriationstendenzen.

Ausblickend wird zum einen diskutiert, inwiefern ein Großteil der Menschen an den diskursiven, ästhetischen und performativen Verfertigungen von Hierarchien und Machtasymmetrien (indirekt durch Mitwissen, Dulden oder Billigen) mitwirkt, deren Übergang zu gewaltvoller – und juristisch relevanter – Täterschaft mithin graduell sein kann. Zum anderen richtet sich das Interesse auf eine Sensibilität für Intersektionskategorien wie race, class, age und disability, Ursachenforschung, Früherkennung von Gewaltbereitschaft sowie Prophylaxe/Prävention/Intervention bzw. alternative gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien (z.B. transformative und transitional justice, das Narrativ des ‚Anderen‘ kennenlernen (S. Adwan/D. Bar-Ôn).

 

*** Das Seminar findet im Zusammenspiel mit der multidisziplinären Tagung Opfer//Täter-Inversionen. Mediale Studien zu gewaltsamen Erfahrungen und Handlungen statt, die am Freitag, den 14. Juni 2019 (10–19:00), im Festsaal in der Luisenstraße (Berlin-Mitte) realisiert wird. Auf der Tagung werden historische und rezente Fallgeschichten (um 1900 bis 2010er Jahre) von Opfern und Täter/innen hinsichtlich ihrer medialen Repräsentation und Verhandlung diskutiert. Interessierte Studierende können hier als Mitdiskutant/innen und auf Wunsch als Moderator/innen und Tagungsrezensent/innen involviert werden.

Prüfung

Verschriftlichtes Referat, Seminararbeit, multimediale Präsentation (Film)

Strukturbaum

Keine Einordnung ins Vorlesungsverzeichnis vorhanden. Veranstaltung ist aus dem Semester SoSe 2019. Aktuelles Semester: WiSe 2024/25.
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