Kommentar |
Der nach Beendigung des Nationalsozialismus einsetzende Entnazifizierungsprozess beinhaltete nicht nur die Demokratisierung aller staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen und der Demontage wichtiger Produktionsstätten sondern auch einen radikalen Eingriff in die pädagogischen Institutionen. Für die US-amerikanischen Alliierten war klar: die deutsche Bevölkerung bedurfte einer "re-education". Die Befreiung Deutschlands von der Naziherrschaft war der Startpunkt zu einem langwierigen und komplexen pädagogischen Experiment. Konnte es gelingen, fragten sich die Alliierten, die deutsche Bevölkerung mithilfe pädagogischer Maßnahmen zu „guten Demokrat*innen“ zu erziehen? Und wenn ja, wie?
Im Seminar werden wir Adornos Untersuchungen zum autoritären Charakter lesen und diskutieren. Bekanntlich versuchte er Ende der 1940er Jahren hier Antworten darauf zu finden unter welchen Umständen Menschen anfällig werden, faschistischen Ideologien zu verfallen. Neben der Lektüre des Originaltextes aus dem Jahre 1950 werden wir uns begleitend auch weitere Texte ansehen und dabei die Frage verfolgen, ob und inwieweit die Überlegungen Antworten bereitstellen, um die soziale und politische Situation Europas, die durch eine fortschreitenden Rechtsruck charakterisiert werden kann, zu verstehen. |
Literatur |
Adorno, Theodor W.(1995/1950): Studien zum autoritären Charakter. (Aus dem amerikanischen Englisch von Milli Weinbrenner. Vorrede von Ludwig von Friedeburg. Herausgegeben vom Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt). Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Heinemann. Manfred (Hrsg.) (1981): Umerziehung und Wiederaufbau. Die Bildungspolitik der Besatzungsmächte in Deutschland und Österreich. Stuttgart: Klett-Cotta, Stuttgart.
Latzin: Ellen (2006): „Reeducation“ – „Reorientation“: Theorie und Praxis zentraler Leitbegriffe der amerikanischen Besatzungspolitik nach 1945, in: Elisabeth Kraus (Hrsg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze, Teil 1., München: Herbert Utz Verlag. |