Als der Kurfürst von Brandenburg Johann Sigismund am Weihnachtstag 1613 öffentlich vom lutherischen zum reformierten Glauben konvertierte, löste er damit eine landesweite Entrüstung aus, die 1615 im Berliner Tumult gipfelte, als ein lutherischer Mob in Berlin das Haus zweier Hofprediger stürmte. Auch nach diesem Höhepunkt war das gesamte 17. Jahrhundert in Berlin-Brandenburg von konfessionellen Spannungen geprägt: Schätzungsweise über 95% der Bevölkerung und der Adel blieben lutherisch, während die Kurfürsten, die Mehrheit ihres Hofes und wenige verstreute Gemeinden eine sehr kleine reformierte Minderheit bildeten. Immer wieder kam es zu Konflikten, die von einer lebendigen Publizistik begleitet wurden. Geistliche beschimpften sich gegenseitig in gedruckten Predigten und Stellungnamen, während die Kurfürsten mit Pamphleten und Erklärungen eine Imagekampagne zu ihren Gunsten betrieben; mal veröffentlichte ein Hofprediger private Briefe seines Rivalen, um ihn bloßzustellen, mal verbreitete ein anonymer Autor die – frei nach dem Titel seines Drucks – „unterdrückte Stimme“ der Lutheraner in einer umfassenden Anklageschrift. Es finden sich viele weitere solcher Beispiele.
Die Publikationen zum schwierigen interkonfessionellen Verhältnis zwischen Lutheranern und Reformierten in Brandenburg-Preußen wurden in der Forschung schon als Quellen genutzt – sie wurden aber nie selbst als Medien systematisch untersucht. Wie werden bestimmte Ereignisse medial inszeniert? Wie werden in Streitschriften Feindbilder und spezifische Wirklichkeiten konstruiert? Wie sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der Publizistik einzuschätzen? Welche Netzwerke und Praktiken liegen ihr zugrunde? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich unser Q-Team. Innerhalb des Zeitraums von 1613 bis 1688 können sich die Studierenden ihre Quellen selbst auswählen und eigene Fragestellungen zur interkonfessionellen Publizistik entwickeln. Die Teilnehmenden erhalten dadurch die Möglichkeit, einen selbstständigen Beitrag in dem lebendigen Forschungsfeld zu konfessioneller Pluralität und Interkonfessionalität zu einem noch wenig untersuchten Aspekt der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu leisten. Das Endergebnis wird später veröffentlicht – in welcher Form, werden wir gemeinsam festlegen.
Das Q-Team richtet sich insbesondere an Geschichtsstudierende mit einem Interesse an der Geschichte der Frühen Neuzeit. Theologen und Literaturwissenschaftler mit Interesse an der Vormoderne sind ebenfalls willkommen. Da wir mit Drucken arbeiten werden, die fast alle auf Deutsch erschienen sind, sind keine Paläographie- oder Lateinkenntnisse erforderlich.
Das Q-Team kann angerechnet werden: im ÜWP im Modul Q-Team (5 Studienpunkte) oder im Fach Geschichte als Übung (Schwerpunkte: 3. Moderne Geschichte oder 7. Kultur und Wissen).
Bemerkung: Bei Interesse und für Rückfragen wird um eine kurze E-Mail gebeten an: thomas.throckmorton@uni-hamburg.de
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