Pluralistische Ästhetik: Der Komponist Bernd Alois Zimmermann - Detailseite

Bernd Alois Zimmermann, vor 100 Jahren geboren, gehört dank der Werke vor allem seines letzten Lebensjahrzehnts zu den herausragenden Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ab etwa 1960 bis zum Jahr 1970, in dem der 52-Jährige seinem Leben ein Ende setzte, entstand eine Reihe von Kompositionen, die von Schichtungen heterogener Materialien, Klang- und Zeitebenen (in Verbindung mit Collage, Montage und Zitaten) geprägt sind – Zimmermann selbst sprach von «pluralistischem Komponieren». Die damit verbundene Überforderungs-Ästhetik von Zimmermanns Musik, der ein Höchstmaß an historischer Reflexion eingeschrieben ist und deren Komplexität bis heute zu faszinieren vermag, bedeutet natürlich eine Herausforderung für die klassische Werk-Exegese. Dem werden wir uns in Betrachtungen exemplarischer Werke jener Dekade ausführlich stellen (in jeweils zwei Sitzungen pro Stück):

• Sonate für Violoncello solo (1960)
• Dialoge (1960, rev. 1965)
• Monologe (1964)
• Musique pour les soupers du Roi Ubu (1962–1967)
• Photoptosis (1968)
• Requiem für einen jungen Dichter (1967–1969)
• Stille und Umkehr (1970)
• «Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne» (Ekklesiastische Aktion, 1970)

Die mehrschichtige Faktur der Werke und die stilistische und mediale Heterogenität der kompositorischen Verfügungsmasse werfen indes nicht nur ästhetische Fragen auf, sondern schon solche nach einer gültigen Werkgestalt selbst. Was die Quellen über die Entstehung der Werke Zimmermanns verraten und wie aus ihnen ein finaler Werktext gewonnen werden kann, lässt sich nirgendwo besser erforschen als in Berlin: Der Nachlass Zimmermanns wird in der Akademie der Künste verwahrt; das 2015 begonnene Projekt einer Zimmermann-Gesamtausgabe hat eine Arbeitsstelle an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Beide Institutionen und ihre Ressourcen sollen unmittelbar in das Seminar einbezogen werden.

Bettina Zimmermann, con tutta forza. Bernd Alois Zimmermann. Ein persönliches Portrait, begleitet und mit einem Nachwort, Kurzbiographien und Werkkommentaren von Rainer Peters, Hofheim am Taunus 2018.

Heribert Henrich, Bernd Alois Zimmermann Werkverzeichnis. Verzeichnis der musikalischen Werke von Bernd Alois Zimmermann und ihrer Quellen, Berlin/Mainz 2013.

Ralph  Paland, Work in progress und Werkindividualität. B.  A. Zimmermanns Instrumentalwerke 1960–1965 (= Kölner Schriften zur Neuen Musik 9), Mainz 2006.

Bernd Alois Zimmermann, hrsg. von Ulrich Tadday (= Musik-Konzepte. Sonderband N. F. 2005), München 2005.

Oliver Korte, Die Ekklesiastische Aktion von Bernd Alois Zimmermann. Untersuchungen zu einer Poetik des Scheiterns (= Berliner Musik-Studien 29), Sinzig 2003.

Klaus  Ebbeke, Zeitschichtung. Gesammelte Aufsätze zum Werk von Bernd Alois  Zimmermann, hrsg. von Heribert Henrich, Mainz 1998.

Jörn Peter Hiekel, Bernd Alois Zimmermanns Requiem für einen jungen Dichter (= Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 36), Stuttgart 1995.

Bernd Alois Zimmermann. Dokumente zu Leben und Werk, hrsg. von Klaus Ebbeke, Berlin 1989 (Ausstellungskatalog der Akademie der Künste).

Bernd Alois Zimmermann. Dokumente und Interpretationen, hrsg. von Wulf  Konold, Köln 1986.

Klaus Ebbeke, «Sprachfindung». Studien zum Spätwerk Bernd Alois Zimmermanns, Mainz 1986.

Wulf Konold, Bernd Alois Zimmermann. Der Komponist und sein Werk, Köln 1986.

Bernd Alois Zimmermann, Intervall und Zeit. Aufsätze und Schriften zum Werk, hrsg. von Christof Bitter, Mainz 1974.

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