Die Neue Rechte gewinnt an Einfluss. Donald Trump wurde zum Präsidenten der USA gewählt, in Ungarn ist eine neo-nationalistische Regierung an der Macht und in Österreich, den Niederlanden und Frankreich sind zuletzt die Kandidat*innen rechtspopulistischer Parteien haarscharf nicht zu Regierungschef*innen geworden. In Indien regiert zum wiederholten Mal ein Premierminister aus der hindunationalistischen BJP. Auch in Deutschland haben sich seit PEGIDA und der Gründung der AfD sichtbare und einflussreiche Vertreter*innen dieses Spektrums etablieren können. Gemessen am Ausmaß rechtspopulistischer/ neo-nationalistischer/ neu-rechter Gruppierungen, Akteure, Publikationen etc. gibt es längst nicht genug Forschung, die dieses Phänomen in seiner gesamtgesellschaftlichen Einbindung und Auswirkung analysiert.
In diesem Q-Tutorium werden wir uns aus studentischer Sicht mit diesem Thema befassen. Dabei sollen vor allem die (scheinbaren?) Widersprüche in neu-rechten Organisationen und Medien sowie in der Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien als Ausgangspunkt der Forschung in den Blick gerückt werden: Wie passt es zusammen, Abschiebungen mit Humanismus und christlicher Nächstenliebe zu begründen? Wie können Homosexuelle eine ausschließliche Förderung traditioneller Familienpolitik fordern? Aus welcher Perspektive ist es sinnvoll, aus Abstiegsangst jemanden zu wählen, der nach allen Prognosen die eigene ökonomische Situation verschlechtern wird?
Ausgerichtet an den Wünschen und Interessen der Teilnehmenden werden wir eine ethnografische Forschung durchführen, die danach fragt, wie neurechte Diskurse/Ideologien durch/in Alltagspraktiken sinnhaft gemacht werden. Darüber hinaus soll auch überlegt werden, wie die Neue Rechte aus dieser Perspektive als gesamtgesellschaftliches Phänomen begriffen werden kann und welche Handlungsansätze im Umgang mit Rechtspopulismus angebracht sind.
Im zweiten Semester steigen wir direkt in die geplanten Forschungsprojekte ein, führen diese durch und erstellen aus unseren Ergebnissen ein gemeinsames Endprodukt. Neueinsteigende melden sich bitte vor der ersten Sitzung bei der Kursleiterin unter salome.bossmeyer@hu-berlin.de.
Banks, Marcus und Andre Gingrich (2006): Neo-Nationalism in Europe and Beyond. Perspectives
from Social Anthropology. New York: Berghahn Books.
Dietze, Gabriele (2010): Okzidentalismuskritik. Möglichkeiten und Grenzen einer
Forschungsperspektivierung. In: Dies., Claudia Brunner und Edith Wenzel (Hg.): Kritik des
Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-)Orientalismus und Geschlecht.
Bielefeld: transcript, S. 23-54.
Holmes, Douglas R. (2000): Integral Europe. Fast-capitalism, multiculturalism, neofascism. Princeton,
N.J: Princeton University Press.
Kalb, Don und Gábor Halmai (Hg.) (2011): Headlines of Nation, Subtexts of Class. Working Class
Populism and the Return of the Repressed in Neoliberal Europe. New York, Oxford: Berghahn
Books.
Mudde, Cas und Cristóbal Rovira Kaltwasser (2012): Populism: Corrective and Threat to Democracy.
In: Dies. (Hg.): Populism in Europe and the Americas. Threat or Corrective for Democracy?
Cambridge, New York u.a.: Cambridge University Press, S. 205- 222.