Kommentar |
Literatur – eine ‘Metaisierungsmaschine’? Formen und Funktionen metapoetischen (selbstreflexiven) Erzählens in den süd- und ostslawischen Literaturen des 20. Jahrhunderts zwischen Ästhetik und Politik. (Andrej Platonov, Miloš Crnjanski, Ivo Andrić, Bora Ćosić, Andrej Bitov, Aleksandar Tišma, Vladimir Sorokin, Miljenko Jergović u.a.)
Als Formen (und Funktionen) von metapoetischem Erzählen, also von Erzählen, das sich selbst sowie das Verhältnis zwischen literarischer Narration und Lebenswirklichkeit reflektiert, werden traditionellerweise Illusionsstörungen wie Erzählerkommentare, intertextuelle Verweise, Metalepsen, Paratexte oder unzuverlässige Erzähler erfasst, aber auch Ironisierungen wie Parodien oder Spiele mit Gattungskonventionen. In vielen erzählenden Texten des süd- und ostslawischen 20. Jahrhunderts (und sicherlich nicht nur dort und nicht nur dann) erfüllen metapoetische Verfahren offensichtlich (und bei aller Synchronizität konkurrierender Funktionspotentiale) gleichzeitig auch kulturreflexive, gesellschaftskritische Funktionen. In dem Fall gerät die (Selbst-)Reflexion der literarischen Kommunikation, der literarischen Zeichenbildung und Ordnungsmuster zur Reflexion von kulturellen (sozialen, politischen) Kommunikationssituationen und Sinnbildungsvorgängen, zum Ausdruck eines (oft krisenhaften) semiotischen Systembewusstseins. Wenn solche, oft von kritischen (und teilweise auch zensurierten) Autoren stammenden Texte nicht nur der Erfassung von Mustern sprachlicher Weltartikulation, sondern auch der Neuprojektierung von sozialen und kulturellen Lebenswirklichkeiten dienen können, dann ist der Fokus damit auf eine zentrale Potenz von erzählender Literatur gelegt, wie sie sich – vielleicht gerade in den mehr oder weniger totalitären Konstellationen in Süd- und Osteuropa des 20. Jahrhunderts – besonders eindrücklich realisierte.
Das Seminar geht zunächst verschiedenen narratologischen bis sprachphilosophischen Funktionsbestimmungen metapoetischen Erzählens nach (von den Formalisten, über die Strukturalistinnen zu den Semiotikern, Rezeptionsästhetikerinnen und Dekonstruktivisten), um dann die Frage nach den kulturellen Funktionen selbstreflexiver Erzählformen an einige der grossen Erzähler des 20. Jahrhunderts aus dem slavischen Osten und Süden heranzutragen. Die zu betrachtenden Texte (von Andrej Platonov, Miloš Crnjanski, Ivo Andrić, Bora Ćosić, Andrej Bitov, Aleksandar Tišma, Vladimir Sorokin oder Miljenko Jergović) entstammen verschiedenen literarischen Epochen von der ‘Moderne’ bis zur ‘Postmoderne’, sodass auch potentiell zeit- und epochengebundene Metapoetiken untersucht werden können.
Das MA-Seminar wird vom 19.4. bis zum 14.6. 2018 regulär in wöchentlichen Sitzungen abgehalten. Danach endet das Seminar. Zusätzlich wird zuvor deshalb noch ein Blocktag (ein Freitag oder Samstag, voraussichtlich im Mai) angeboten.
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