Kommentar |
Als Dichter, Politiker, Inhaber des Lehrstuhls für Slavische Literaturen am Collège de France (des ersten Slavistiklehrstuhls überhaupt) war Mickiewicz eine zentrale Figur der europäischen Romantik. Der heutzutage außerhalb Polens verkannte Mickiewicz war im Königreich Polen, im Zarenreich, in Deutschland, Frankreich, Italien, in der Schweiz und in der Türkei tätig und beeinflusste nicht nur seine Zeitgenossen (Puškins legendärer, die „Petersburger Literatur“ stiftender Eherner Reiter war als Polemik auf Mickiewiczs „Oleszkiewicz“ angelegt), sondern auch die wichtigsten Vorläufer der Moderne wie etwa den Comte de Lautréamont: Als einen der Vollbilder für seien Maldoror nennt Lautréamont Mickiewiczs Konrad aus Ahnenfeier. Für viele war Mickiewicz‘ Entscheidung, mit 36 dem Dichterberuf ein Ende zu setzen und die letzten 20 Jahre seines Lebens politischer, freiheitlicher Tätigkeit zu widmen, inspirierend. Der erzpolnische Dichter, der den Sinn des Polentums eigentlich bestimmte und immer noch bestimmt, wird aber nur im gesamteuropäischen Kontext verständlich, so wie die Kultur einer jeden Nation und jeder Sprache sich nur als eine Transferkultur interessant, lebendig, und der Mühe der Forschung wert präsentiert. Darum sollte die Darstellung der Person und der Dichtung Mickiewiczs im Rahmen der zu seiner Zeit gerade entstehenden, international intendierten „Weltliteratur“ stattfinden.
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