Kommentar |
Dem Begriff nach ist »Visuelle Kommunikation« ein Kind der Nachkriegszeit: Seit 1956 heißt die von Otl Aicher geleitete Abteilung an der wenige Jahre zuvor gegründeten Ulmer Hochschule für Gestaltung so. Angesichts einer »immer komplexer und komplizierter handelnden technischen Zivilisation«, so Aicher, setzt man in Ulm auf eine Gestaltung ganz im Dienste allgemeiner Verständlichkeit. Als Medien der Kommunikation verstanden, sollen Bilder und Zeichen zu eindeutigen Signalen und zum Werkzeug möglichst voraussetzungsloser Informationsübermittlung werden. Der Sache nach schließt man damit jedoch an Konzepte an, die schon in den 1920er Jahren entwickelt wurden. Denn bereits im Umkreis von Bauhaus, DeStijl und russischer Avantgarde träumt man von einer universellen Sprache der Bilder, Zeichen und Signale, die im Gegensatz zur verbalen Sprache grenzüberschreitend verständlich, unmittelbar wirksam und dem Tempo und der Reizintensität des modernen großstädtischen Lebens adäquat sein soll.
Ausgehend von frühen Entwürfen für Verkehrszeichen, Piktogramme und Farbleitsysteme der 1920er Jahre verbindet das Seminar eine Kunst-, Design- und Bildgeschichte konkreter künstlerischer und gestalterischer Projekte mit einer übergreifenden Ideengeschichte der »visuellen Kommunikation«. Deren Protagonist*innen reichen von László Moholy-Nagy und Otto Neurath über György Kepes, Charles und Ray Eames bis zu Marshall McLuhan. Ein Schwerpunkt soll dabei auf den 1940er bis 70er Jahren liegen. Denn was in der Zwischenkriegszeit noch weitgehend Projekt blieb, wird nach 1945 institutionell gefördert und großmaßstäblich umgesetzt: In neuen Ausstellungsdesigns und multimedialen Environments, in Informations- und Orientierungssystemen für Großflughäfen und Massenereignisse oder auch in den ersten Entwürfen grafischer Benutzeroberflächen um 1970. |