Kommentar |
Nicht nur im Kontext der polnischen und tschechischen Kultur sind im 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart zeitlich unterschiedliche Wellen der Emigration auszumachen. Da diese meist im Zusammenhang mit der Politik des jeweiligen Landes stehen, oszillieren die Motive des Weggangs zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit. Die Literatur als Medium der Auseinandersetzung mit dem Leben in einem anderen Land bietet ein vielfältiges Feld für Untersuchungen. Im Seminar sollen Fragestellungen der literarischen Verarbeitung von Emigration, Migration und Exil im Raum nachgegangen werden, beinhalten die Termini doch immer schon eine tatsächliche räumliche Überwindung von Ländergrenzen. In literarischen Räumen konfigurieren sich zudem Vorstellungen von Heimat und Fremde, Identität, Hybridität und Transnationalität sowie Motive der Entwurzelung, Bewegung, Heimatlosigkeit und Rückkehr.
Zunächst sollen im Seminar die theoretischen Grundlagen erarbeitet werden. Da es wesentliche konzeptionelle Überschneidungen zwischen den Begriffen Emigration, Migration und Exil gibt, gilt es diese in ihren Bedeutungsumfängen zunächst zu schärfen sowie das umfangreiche Angebot an Konzepten, Theorien und Ansätzen zum Raumbegriff einzugrenzen und für das Anliegen des Seminars zu operationalisieren. Daran anschließend werden die unterschiedlichen Raumkonzeptionen in den literarischen Texten herausgearbeitet, darunter u.a. von den polnischen AutorInnen Janusz Głowacki und Natasza Goerke sowie den tschechischen SchriftstellerInnen Věra Linhartová, Richard Weiner und Milan Kundera. Mit Blick auf die „neue“ osteuropäische Migrationsliteratur in Deutschland werden abschließend auch deutschsprachige Debütantinnen wie Katja Petrowskaja und Lena Gorelik besprochen.
Die interdisziplinäre Ausrichtung des Seminars ermöglicht es, eine komplexe Anbindung an unterschiedliche kulturwissenschaftliche Kontexte zu leisten sowie über die Aktualität der Begriffe Migrations- und/oder Exilliteratur zugunsten einer transkulturellen Literatur zu diskutieren. Zentral für das Seminar sind sowohl AutorInnen, die bereits vor ihrer Ausreise schriftstellerisch tätig waren, als auch jene, die erst danach zu schreiben begonnen haben. Die literarischen Texte werden in Original und Übersetzung zur Verfügung gestellt.
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