Kommentar |
Weisheit avant la lettre ist Gegenstand der frühesten Zeugnisse menschlicher Literatur. Neuerdings interessiert die Psychologie sich für das Konzept. In der Zwischenzeit konnten weder Philosophie noch Theologie sich darüber einig werden. Die Bedeutung von Weisheit ist nicht abzusehen. Einen gemeinsamen Nenner gibt es nicht. Im Seminar soll das weite Feld der Weisheit anhand von drei Koordinaten vermessen werden. Erstens weist das enge Verhältnis der Weisheit zum Wissen die Richtung. Sokrates’ Bestimmung der Weisheit als ein Wissen um das je eigene Nichtwissen kann als Höhepunkt ambivalenter Vermittlungen gelten. Zweitens wird der Fokus auf eine philosophische Tradition zu setzen sein, die den praktischen Aspekt der Weisheit profiliert. Diese Tradition, welche in Foucaults Konzept der Selbsttechnologien aktualisiert wird, erweist sich als beachtlich integrativ bezüglich der divergenten und antagonistischen Bestimmungen von Weisheit. Drittens ist zu beachten, dass Zuschreibungen von Weisheit stets auch soziale Aussagekraft besitzen. Als kontextuell und inhaltlich äußerst variables Ideal ist die Weisheit in besonderem Maße offen für ideologische Vereinnahmungen. Außerdem geraten traditionelle Verständnisse in Konflikt mit gesellschaftlichen Veränderungen. Dies gibt Anlass zu neuen Entwürfen der Weisheit, aber ebenso zur Kritik der Kultur, so etwa bei Walter Benjamin. Im Weisheitsbegriff interferieren und verbinden sich in diversen Formationen Konzepte und Analysen des Wissens, der Praxis und des sozialen Zusammenhangs. Die damit gegebene Perspektive auf die Kulturgeschichte soll im Seminar erschlossen und ausgewertet werden. |