Kommentar |
Im osteuropäischen Theaterschaffen der letzten Jahre und Jahrzehnte ist viel passiert. In vielen Regionen sind theatrale Räume zentrale Austragungsorte von gesellschaftlichen, sozialen und politischen Fragen. Diese zeitgenössischen osteuropäischen Theaterlandschaften zu kartographieren – das ist das Vorhaben des Seminars. Am Anfang stellt sich die Frage, welche literatur- und kulturwissenschaftlichen Herangehensweisen dabei fruchtbar zu machen sind: Was ist ‘politisches’ Theater? Was ist ‘osteuropäisches’ Theater? Wie können die Wechselwirkungen zwischen theatralen Interventionen und gesellschaftlichen Strukturen und Praktiken erforscht werden? Dazu lesen und diskutieren wir zunächst einige grundlegende zeitgenössische Positionen aus der gesellschaftsinteressierten Theaterwissenschaft (etwa von Patrick Primavesi, Hans-Thies Lehmann, Erika Fischer-Lichte oder Marc Lipovetsky). Danach bewegen wir uns verschiedenen Regionen des postjugoslawischen und postsowjetischen Raumes entlang (v.a. Kroatien, Serbien, Bosnien, Ukraine, Belarus, Russland) und versuchen anhand der Lektüre einzelner Theaterstücke (etwa von Ivana Sajko, Selma Spahić, Oliver Frljić, Michail Kalužskij, Ivan Vyrypaev) sowie der Betrachtung einiger prägender Theaterhäuser und -szenen (etwa das ukrainische DAKH-Theater, das serbische DAH-Theater, das ukrainische Theatre of Displaced people, das weissrussische Belarus Free Theatre oder das russische teatr.doc) immer wieder von Neuem die Verflechtungen zwischen Theater und gesellschaftlichen Umbruchprozessen auszuloten und dabei auch nach spezifischen inhaltlichen und formalen Dimensionen eines postimperialen osteuropäischen Theaterschaffens zu fragen.
Vorkenntnisse von osteuropäischen (slavischen) Sprachen und Kulturen sind von Vorteil, aber keine Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar. Die Studierenden können entsprechend ihrer Kenntnisse und Interessen auch eigene Schwerpunkte einbringen.
|