Kommentar |
Das Unvermögen kann einerseits negativ als Scheitern, Ohnmacht und Misserfolg, mithin als Defizit und Nicht-Einlösung eines Potenzials gelesen werden. Einer in politischen und gesellschaftskritischen Kontexten vorgenommenen Umdeutung nach zeuge es andererseits von einer Widerständigkeit gegen neoliberale Handlungsimperative oder bilde zumindest die untrennbare Kehrseite gegenwärtiger Leistungsparadigmen. In einer dritten Lesart schließlich werde das Unvermögen im Sinne einer radikalen Passivität erst da erfahren, wo das Subjekt an die Grenzen von Entscheidung, Handlungsmöglichkeit und Souveränität überhaupt stößt: in der Begegnung mit dem opaken Anderen, in Rausch, Ekstase, Traum, im Erleiden, im Affekt, etc. Im zweiten Teil des Projekttutoriums werden wir uns verstärkt dem Unvermögen in Kunst und Ästhetik widmen und verschiedene Gegenkonzepte zu künstlerischen (Lebens-)Werkschöpfungs-, Kontroll- und Allmachtsfantasien ausloten. Dabei wird unter anderem von werklosen Genies, die auch dann noch Künstler bleiben, wenn sie nicht produzieren, von intendierten und unfreiwilligen Kontrollverlusten und von zeitgenössischen Versuchen des un-knowing und un-learning als Strategien einer gegenhegemonialen Kunst- und Wissensproduktion die Rede sein. Auch weiterhin wird uns die Frage nach dem komplexen Verhältnis des Unvermögens zu seinen diversen Gegenbegriffen wie Souveränität, Entscheidung, Autonomie, Kontrolle, Möglichkeit etc. interessieren, sowie danach, welche alternativen oder komplementären Möglichkeiten der Subjektivierung in Fehlbarkeit, Scheitern und Erleiden stecken könnten. |