Kommentar |
Um dem Zorn des Minos, Herrschers von Kreta, zu entkommen, entwickelt der erfindungsreiche Dädalus für sich und seinen Sohn Ikarus Wachsflügel. Trotz der Anweisungen des Vaters, nicht zu hoch zu fliegen, da sonst die Sonne die Federn zum Schmelzen bringt, riskiert Ikarus den Höhenflug und stürzt in die Tiefe des Meeres, das heute nach ihm benannt ist. Das katastrophistische Ikarus-Drama, in dem Diskurse von Flucht und Fatum, Versuch(ung) und (Über)Mut, Warnung und Wagnis verhandelt werden, faszinierte bereits antike Autoren, deren Auslegungen des Sujets (allem voran diejenige von Ovid) zur Vorlage späterer Interpretationen wurden, und zwar nicht nur in der Dichtung, sondern auch in der Malerei (Breughel, Rubens). Mit dieser intermedialen Vorgeschichte gelangt das Sujet auch nach Polen, wo es zur gegebenen Zeit sehr prominent wird. In unserem Seminar gehen wir diversen intertextuellen und intermedialen Formationen und Figurationen der Ikarus-Sage nach und verfolgen, wie die Tragödie des übermütigen Jungen zur Projektionsfläche diverser Identitätsfindungen der polnischen Kultur und Literatur avanciert. |