"Menschenwerk" hat der Marburger Volkskundler/Ethnologe Martin Scharfe seinen 2002 erschienenen Band überschrieben und diesem den Untertitel "Erkundungen über Kultur" gegeben.
Auch vor dem Erscheinen dieses Opus hat die Lehrende S.J. immer wieder "Menschenwerk" hinterfragt, ohne dazu aber ein Seminar vorzubereiten und anzubieten. Jetzt, in einer Zeit, in der
60 Millionen Menschen auf der Flucht sind, vertrieben durch unlösbar erscheinende Konflikte, durch Terrorbanden wie Klimaveränderungen, muss "Menschenwerk" ein Thema der Europäischen Ethnologie sein.
Es wird weniger die "Erkundungen über Kultur" übernehmen, vielmehr eine erkenntnistheoretische Rückschau bis zu den Philosophen und Klassikern des 18./19. Jahrhunderts halten, um daraus die notwendige Interdisziplinarität des Themas entwickeln zu können. Diese ergibt sich aus dem Menschenwerk selbst, denn beinahe alles, was uns umgibt, ist Menschenwerk, geschaffen von Qualifizierten oder Unqualifizierten, von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in unterschiedlichen zeithistorischen Epochen.
Schwerpunkt des Seminars soll die Gegenwart sein, die "Menschenwerk" alltäglich und in allen Facetten vor Augen führt. Es ist die von Menschen kreierte und realisierte Alltagswelt, die Zeit und Raum bietet, Lebensraum. Gleichzeitig zerstören Menschen nicht allein durch Kriege Tag für Tag
wie massenhaft Lebensraum.
Die Interdisziplinarität des Themas erfordert den Blick und den Einsatz verschiedener Fachrichtungen, damit Handelnder auf unterschiedlichsten Ebenen, die sich zwischen Aufbau und Zerstörung bewegen, zwischen Helfenden einerseits und Menschen, die Lust am Zerstören bis zur Selbstzerstörung haben, andererseits.
Beispielhaft wird eine Krankenschwester, die für "Ärzte ohne Grenzen" seit vier Jahren tätig ist, über ihre Motivation und Erfahrungen in Flüchtlingslagern von Afrika, des Süd-Sudan sowie im Nordirak sprechen. Ein Künstler wird Inhalte seiner Gemälde erläutern, die auf den sich selbst zerstörenden, hilflosen Menschen verweisen. Bauwerke werden eine Rolle spielen, so die Zerstörung und der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. Die Zerstörung der Natur durch militärische Nutzung im regionalen Raum ist Menschenwerk wie gleichermaßen die Gründung von Nationalparks an solchen Orten. "Menschenwerk" als kulturelles wie als kulturzerstörendes Handeln wird im Kontext des Paradigmenwechsels stehen, der zur Zeit auf dem Globus Erde stattfindet. Das Seminar wird gleichsam auf den Kontext des Goethe-Zitats stehen, das der Dichter, Naturwissenschaftler und Staatsmann auf seiner 3. Reise in die Schweiz 1797 aufzeichnete:
"Alles Menschenwerk, wie auch alle Vegetation, erscheint klein gegen die ungeheuren Felsmassen und Höhen."
Das Seminar schließt eine Wochenend-Exkursion nach Dresden ein. |