Kommentar |
Kunstakademien waren im 19. Jahrhundert in ganz Europa nahezu ausnahmslos staatliche Institutionen und spielten daher eine wichtige Rolle als Vertreterinnen offizieller, als verbindlich propagierter Kunstpolitik. Auch wenn sie schrittweise an Autonomie gewannen und sich in Ansätzen ‚zeitgemäßen‘ Kunstkonzepten und den Erwartungen eines breiteren Publikums öffneten, provozierte ihre kulturpolitische Stellung immer wieder oppositionelle Initiativen. Die bekanntesten Beispiele sind die Nazarener, in Frankreich die ‚realistische‘ Bewegung um Gustave Courbet oder die Secessionen (u.a. in Wien, Berlin, München) um 1900. Ebenso gehört dazu die in Russland 1870 gegründete Gruppe der sog. Wandermaler (Peredvižniki). Ging es allen Protestbewegungen – mit wechselnder Gewichtung – sowohl um Fragen ‚kunstwürdiger‘ Inhalte wie auch um solche der Form und der gesellschaftlichen Rolle von Kunst, zeichneten sich die russischen ‚Wanderer‘ durch einen besonders starken Akzent auf dem sozialen Aspekt aus. Dieser äußerte sich nicht nur, aber vorrangig auch in ihren Ausstellungsaktivitäten, die bis in ländliche Regionen des Zarenreichs reichten. Im Seminar wird es darum gehen, diese Oppositionsbewegungen anhand aussagekräftiger Beispiele zu vergleichen. In den Vordergrund wird dabei die Frage nach den sehr verschiedenen (künstlerischen, aber auch kulturpolitischen und gesellschaftlich orientierten), sich vielfältig überlagernden Zielrichtungen der Neuerungsbestrebungen und ihren Artikulationsformen sowie deren Kontextabhängigkeit und Vergleichbarkeit gestellt. |
Literatur |
Zum Einlesen: Facos, Michelle: Introduction to Nineteenth-Century Art. Abingdon, New York 2011; Eisenman, Stephen F. (Hg.): Nineteenth Century Art. Al Critical History. London 1994; Pevsner, Nikolaus: Die Geschichte der Kunstakademien. München 1986; Jackson, David/Hedström, Per (Hg.): The Peredvizhniki. Pioneers of Russian Painting. Ausstellungskat. Stockholm 2011. |