Kommentar |
„Die Feinschmeckerei berücksichtigt Menschen und Dinge, um alles Kennenswerthe von einem Land zum anderen zu bringen, so dass ein kunstreich geordnetes Mahl gleichsam ein Abriss der ganzen Welt ist [...].“ Diese Zeilen stammen von Jean Anthelme Brillat-Savarin, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Versuch unternommen hat die Gastronomie zum Gegenstand einer umfassenden kulturellen Frage nach dem Kulinarischen zu machen. Die (kultur)wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Essen beginnt damit an der kosmopolitischen (und gleichermaßen kolonialen) bürgerlichen Tafel, um von dort aus bis an die Kochtöpfe fremder Kulturen vorzudringen. Aber auch die antiken und neuzeitlichen Institutionen des Symposiums, der Tischgesellschaft und des Gelehrtenmahls führen das Essen auf je unterschiedliche Weise mit dem philosophischen und kulturellen, ja, kulturstiftenden Diskurs eng, ebenso wie in Mythen und Gründungserzählungen kulinarische Praktiken stets eine eminente Rolle spielen, wenn es darum geht einen „Abriss der ganzen Welt“ zu entwerfen.
In dem einführenden Seminar zur Kulturwissenschaft des Kulinarischen sollen von diesen Beobachtungen ausgehend sowohl grundlegende kulturtheoretische Texte diskutiert, als auch überhaupt nach dem Verhältnis von Kultur, Kulturwissenschaft und kulinarischen Praktiken gefragt werden: Wie und in welcher Weise haben die Praktiken der Küche in ganz unterschiedlicher Weise zum Denken (und Erzählen) mit und über Essen Anlass gegeben? Welche Zusammenhänge lassen sich in kulturhistorischer und kulturvergleichender Perspektive zwischen den Praktiken des Denkens, des Sprechens, des Lesens und Schreibens und den kulinarischen Praktiken herstellen? Und was könnte am Ende und ausgehend davon eine Kulturwissenschaft des Kulinarischen sein? |