Kommentar |
Betrachtet man den allgemeinen Konsens über die großen Denker der deutschen Geistesgeschichte, so springen einem Namen wie Kant, Goethe, Schopenhauer oder Nietzsche entgegen; selten jedoch hört man den Namen Georg Christoph Lichtenberg. Zu Lebzeiten als renommierter Naturwissenschaftlicher bekannt, hinterließ er nach seinem Tod 1799 ein umfangreiches Konvolut von Aphorismen über Wissenschaft, Literatur, Kultur, Gesellschaft – kurz: über das Leben -, welche er selbstironisch „Sudeleien“ nannte. Erst posthum wurden sie sukzessive veröffentlicht. Seither sitzt Lichtenberg, der neben Lessing und Schiller zu den ersten Essayisten deutscher Sprache gehört, in der imaginären Tafelrunde der Denker meistens am Katzentisch, als intelligent und originell anerkannt, jedoch oft als belanglos abgetan. Einer der Gründe hierfür ist das dezidiert unsystematische Denken Lichtenbergs. Im Gegensatz zu den aufklärerischen Philosophen seiner Zeit entwarf er kein einheitliches, übergreifendes Theoriegebäude, stattdessen zeigte er sich als gewitzter Chronist und Kommentator des Alltags. In diesem Q-Tutorium soll das aphoristische Werk Lichtenbergs unter einem neuen Aspekt betrachtet werden: als Vorläufer des modernen Blogs. Denn Lichtenberg wäre heute wohl sicher selbst ein gefeierter Star als Blogger oder auf Twitter. Im Laufe des Seminars sollen die Parallelen zwischen den Sudelbüchern und heutigen Blogs erforscht werden, und in Gruppenarbeit ein eigener Blog angelegt werden, in dem wir unsere Forschungsergebnisse aphoristisch festhalten. Es sind keinerlei Vorkenntnisse zu Lichtenbergs Werk oder den medientheoretischen Hintergründen erforderlich, um an dem Seminar teilnehmen zu können. |
Literatur |
Lichtenberg, Georg Christoph, Sudelbücher, insel taschenbuch 1984 (ISBN: 978-3-458-32492-8); Schmidt, Jan, Das neue Netz: Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0, Uvk Verlagsgesellschaft mbH; 2. Auflage 2011
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