Die Länder „Ost-Mittel-Europas“ befinden sich seit der Auflösung des Warschauer Paktes in Bezug auf ihre Selbstverortung innerhalb Europas im Prozess einer nationalen bzw. regionalen Identitätsfindung. Dabei entsteht zwischen den beiden Polen „Westeuropa“ (und zunehmend „EU“) vs. „Osteuropa“ eine Reibungsfläche. Die Orientierung geschieht außer auf der politischen Ebene vielfach in literarischen Texten. Hier wird bewusst mit Versatzstücken der Geschichte der Region, Erinnerungsorten und -landschaften und der Bezugnahme auf Identitätsdiskurse der Zeit vor 1945 literarische Symbolpolitik betrieben. In der Analyse dieser Arbeiten bietet sich die faszinierende Möglichkeit, der kulturellen Identitätsproduktion der Region quasi „in the making“ beizuwohnen. In unserem Seminar möchten wir diesen Prozess aus einer interdisziplinären Perspektive einer im weiteren Sinne kulturwissenschaftlichen area study heraus analysieren, in der ethnologische und zum Teil literaturwissenschaftliche Gegenstände miteinander verschränkt werden. Damit erlangen die TeilnehmerInnen Fähigkeiten bei der Analyse literarischer und essayistischer Texte, die ihnen bei ihrer späteren Forschungspraxis als Europäische EthnologInnen von Nutzen sein werden. Mit der Analyse von mittel(ost)europäischen Entwürfen des 19., 20. und 21. Jahrhunderts begegnen sie darüber hinaus einem der wichtigsten Diskurse innerhalb des Begriffsfeldes „Europa“, dessen Verständnis zentral für den Wissensbestand des Faches und nicht zuletzt auf Grund der EU-Osterweiterung von Bedeutung für das Bewusstsein von europäischen EthnologInnen ist. Es soll ein solides, für Probleme (wie Darstellungsmuster, Stereotypisierung, Politisierung) sensibilisiertes Wissensfundament für die weitere Beschäftigung mit diesem Themenkomplex geschaffen werden. |