Kommentar |
Der Rechtspopulismus hat in Deutschland seit einigen Jahren wieder Auftrieb. Die intellektuellen Vorbereiter dieser Bewegung geraten derzeit häufig in den Blickpunkt akademischer Debatten und Analysen (v.a. das Institut für Staatspolitik, die Zeitschriften Junge Freiheit und die Sezession aus dem Antaios-Verlag), ebenso wie die politischen Protagonisten der AfD. Siegfried Jägers Analyse „BrandSätze“ über rassistische Einstellungen in den neunziger Jahren erfreut sich einer traurigen Aktualität. Mittlerweile haben sich die gelegten BrandSätze zu einem Flächenbrand entwickelt, der den gesellschaftlichen Diskurs zunehmend nach rechts verschiebt, sich im Wahlverhalten und einer erhöhten Zahl politisch motivierter Straftaten niederschlägt – nicht nur in Deutschland. Wir werden uns im Seminar weniger mit der ideologischen ‚Elite‘ beschäftigen, sondern eher Erklärungsansätze für ihren breiten Erfolg suchen: Warum können sich die ideologischen BrandSätze hierzulande derart verbreiten? Welche sozialen Gruppen sind besonders anfällig dafür und welche gesellschaftlichen Strukturen begünstigen diese Entwicklung? Eine Politische Psychologie muss dabei auf soziologische und politikwissenschaftliche Konzepte zurückgreifen und darauf aufbauen. Aus soziologischer Sicht geht es um die Faktoren der kollektiven Identität, aber auch um regionale (sozioökonomische) Ungleichheit und Ungleichzeitigkeiten, Demographie und Fremdenfeindlichkeit. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive behandeln wir die Fragen, wie sich das Parteiensystem und die Einstellung gegenüber dem politischen Führungspersonal seit der rot-grünen Regierung gewandelt hat und was dies für das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat bedeutet. Letztlich sollen sozialpsychologische Konzepte und Erklärungsversuche herangezogen werden, gerade weil im Diskurs immer wieder von Angst, Wut und Sorge die Rede ist und Affekte in immer größerem Maße die politische Haltung zu bestimmen scheinen. Das Seminar wird sich der Problematik mit theoretischen und empirischen Texten nähern. Vorausgesetzt wird die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme und kritischen Lektüre der Texte. Die Teilnahmeleistungen umfassen ein Referat sowie eine Hausarbeit (die genauen Konditionen werden am ersten Termin besprochen). |
Literatur |
Bednarz, L., Giesa, C., 2015. Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte. Hanser, München.
Braun, S., Geisler, A., Gerster, M., 2016. Strategien der extremen Rechten: Hintergründe - Analysen - Antworten. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
Eribon, D., 2016. Rückkehr nach Reims. Suhrkamp, Berlin.
Jäger, S., 1992.1992. BrandSätze. Rassismus im Alltag. DISS, Duisburg.
Klein, A., Nullmeier, F., 1999. Masse - Macht - Emotionen. Zu einer politischen Soziologie der Emotionen. Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden.
Lipowatz, T., 1998. Politik der Psyche: eine Einführung in die Psychopathologie des Politischen. Turia + Kant, Wien.
Müller, J.-W., 2016. Was ist Populismus? Ein Essay. Suhrkamp, Berlin.
Nachtwey, O., 2016. Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne. Suhrkamp, Berlin. |