Kommentar |
Im Unterschied zu den demonstrativ beschworenen "Ideen von 1914" und denen von 1933 erscheint die Zeit der Weimarer Republik als ergebnisoffen, widersprüchlich und vor allem durch eines gezeichnet: Konflikt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und bis zum Ende der Republik wurde beständig über die Staatsform und die zentralen politischen Ordnungsideen gestritten. Liberale Demokratie, Diktatur, autoritärer Obrigkeitsstaat und Räteverfassung sind nur manche der Entwürfe, die den prekären Kompromiss der Weimarer Verfassung (Böckenförde) beständig in Frage stellten und miteinander konkurrierten. Gestritten wurde aber nicht nur um den Staat und die politische Ordnung. Auch die Rolle der Kunst, Geschlechterverhältnisse und die menschliche Natur waren Felder der Auseinandersetzung, die in Theatern, Büchern, Filmen und auch auf der Straße ausgetragen wurde. Dabei wurde nicht an starken Bildern gespart; Zu keinem Zeitpunkt, so scheint es, waren Apokalypse und Utopie so nahe beieinander als in Weimar. Im ersten Teil des Projekttutoriums wollen wir uns auf die Suche nach den Querverbindungen und Schnittmengen dieser Konflikte begeben. Wie werden politische Ideen in der Literatur der Zeit artikuliert? Was ist die imaginäre Seite der jeweiligen Staatsentwürfe und wie wird Ästhetik eine politische Ressource? Welches Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft wird einerseits literarisch imaginiert, andererseits für das Funktionieren staatlicher Ordnung postuliert? Welche Geschlechterbilder werden produziert und wie verhalten sie sich zur politischen Ordnung? Das Projekttutorium soll vor allem einen Raum bieten, eigene Forschungsfragen und Thesen zur Ideengeschichte der Weimarer Republik zu entwickeln. Es versteht sich als forschungsorientiert und interdisziplinär und steht Studierenden aller Fachrichtungen offen. |
Literatur |
Musil, Robert (2010): Der Mann ohne Eigenschaften. Band 1, Erstes und Zweites Buch. Kapitel: General Stumms Bemühung, Ordnung in den Zivilverstand zu bringen, Hamburg, S. 370-380. /Auch als Hörspiel unter: / http://www.br.de/radio/bayern2/inhalt/hoerspiel-und-medienkunst/hoerspielpool460.html Böckenförde, Ernst-Wolfgang (2013): Der Zusammenbruch der Monarchie und die Entstehung der Weimarer Republik, in: ders.: Recht, Staat, Freiheit, Frankfurt am Main, S. 306-344. |