Kommentar |
Wissenschaftliche Karrieren gelten seit jeher als unsicheres Unterfangen. Schätzungen zufolge erlangt in Deutschland nur jeder zehnte promovierte Nachwuchswissenschaftler langfristig eine Professur. Von besonderem Interesse im Werdegang eines Wissenschaftlers ist die Promotions- und Postdoc-Phase, da sich hier die Entwicklung vom „wissenschaftlichen Lehrling“ zum anerkannten Mitglied der Scientific Community vollzieht. Wie (und wie erfolgreich) sich diese Transformation zum eigenständigen Wissenschaftler gestaltet, hängt von zahlreichen Faktoren ab, deren Zusammenspiel bisher nur unzureichend untersucht ist. Welche Konstellationen von individuellen und institutionellen Randbedingungen führen dazu, dass die Entwicklung zum selbständigen Wissenschaftler gelingt? Welche Rolle spielen dabei individuelle Fähigkeiten, Förder- und Promotionsprogramme, Netzwerke oder auch das symbolische Kapital von Betreuern und Mentoren? Welche Faktoren sind notwendig, welche hinreichend und wie entfalten sie ihre Wirkung im Zusammenspiel?
Ziele der Veranstaltung
Ziel der Veranstaltung ist es, exemplarisch für ausgewählte Fachbereiche notwendige und hinreichende Bedingungen bzw. Bedingungskonstellationen für das Gelingen wissenschaftlicher Werdegänge zu untersuchen. Der grundlegende Aufbau der Veranstaltung folgt einem idealtypischen Forschungsprozess, wobei sich Sitzungen mit inhaltlichen und methodischen Schwerpunkt abwechseln und innerhalb der Sitzungen Vortrags- und Gruppenarbeitsphasen geplant sind.
Die Teilnehmer
- erwerben in der Veranstaltung einen Überblick zu (wissenschaftlichen) Karrieren als Forschungsgegenstand (z.B. zentrale Studien, Datensätze, theoretische Modelle).
- entwickeln in Kleingruppen eigene Fragestellungen und Hypothesen
- erarbeiten einen Interviewleitfaden und erheben Daten, die in der Veranstaltung im Wintersemester 2016/2017 zunächst inhaltsanalytisch bzw. deskriptiv ausgewertet werden und
- lernen mit der Qualitative Comparative Analysis (QCA) eine Methode kennen, die im sozialwissenschaftlichen Methodenkanon im Vergleich zu weiteren (multivariaten) Analyseverfahren trotz wachsender Popularität vergleichsweise wenig etabliert ist, aber vielfältige Analysepotentiale eröffnet. Eine vertiefende Veranstaltung zur praktischen Anwendung der QCA auf die erhobenen Daten ist im Sommersemester 2017 geplant.
Die Lehrforschung ist inhaltlich an den Arbeitsbereich „Selbstrekrutierung und Karrieren“ am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) angebunden. Hier schließt sie inhaltlich an verschiedene laufende und abgeschlossene Projekte zur Untersuchung wissenschaftlicher Karriereverläufe an, darunter die Untersuchung der Effekte verschiedener Nachwuchsförderprogramme (Starting Grants des ERC und Emmy-Noether-Programm der DFG) sowie das ProFile Promovierendenpanel. |
Literatur |
Buche, J.; Siewert, M. (2015) Qualitative Comparative Analysis (QCA) in der Soziologie –Perspektiven, Potentiale und Anwendungsbereiche. In: Zeitschrift für Soziologie 44 (6), 386-406
Laudel, G.; Gläser, J. (2008): From apprentice to colleague: The metamorphosis of Early Career Researchers. In: Higher Education 55 (3), S. 387–406.
Hermanowicz, J. (2009): Lives in science. How institutions affect academic careers. Chicago: University of Chicago Press.
Jungbauer-Gans, Monika; Gross, Christiane (2013): Determinants of Success in Scientific Careers: Findings from the German Academic Labour Market. In: Zeitschrift für Soziologie 42 (1), S. 74–92. |
Zielgruppe |
Die Veranstaltung steht grundsätzlich Studierenden der Sozial-, Bildungs- und Erziehungswissenschaften und verwandten Disziplinen im Bachelor- und Masterstudium offen. Allgemeine Vorkenntnisse zur Konzepten und Begrifflichkeiten der empirischen (Sozial-)Forschung, zum Ablauf eines Forschungsprozesses und ein grundlegender Überblick über verschiedene Verfahren der Datenerhebung und -auswertung sind Voraussetzung.
Für die praktische Durchführung der QCA in der geplanten Folgeveranstaltung im Sommersemester 2017 sind anwendungsbereite Grundkenntnisse im Umgang mit einer gängigen Statistiksoftware (z.B. Datenmanagement, Generieren und Rekodieren von Variablen, deskriptive Auswertungen und grafische Darstellungen in Stata, R oder SPSS) erforderlich. Die QCA wird voraussichtlich mit dem frei verfügbaren Statistikpaket R durchgeführt. |