Kommentar |
Das Seminar untersucht weit greifende, mehrere europäischen Literaturen
umfassende historisch-literarische Kontexte von Tolstojs „Krieg und
Frieden“ als Schlüssel zum einmaligen genrepoetischen Aufbau des Buchs. Die
von Tostoj gewählte napoleonische Epoche als Thema und Schauplatz für
Kollisionen, die sich teilweise außerhalb der historisch-militärischen
Ereignisse entfalten, führt nicht nur auf Gattungskonventionen des
historischen Romans zurück, sondern auch auf vielfältigen und
darstullengstheoretisch aufgeladenen Reaktionen der europäischen
Literaturen auf Napoleons Feldzüge und nationale „Befreiungskriege“. Die
Verflechtung und Zusammenstoß der intimen Gefühlskulturen mit
episch-massenhaften Kriegsdarstellungen, der Liebesanalyse mit der
Ideologie des Volkskrieges, wird als zentrales Verfahren der
Kriegsliteratur aufgefasst und auf zwei Ebenen erforscht: Einerseits werden
Tolstojs Episoden und Tropen mit europäischen (Heinrich von Kleist) und
russischen (Mikhail Lermontov) Parallelfallen nebeneinandergestellt.
Andererseits wird die konzeptuelle Signifikanz der künstlerischen Praxis im
Lichte verschiedener theoretischen Fragestellungen ausgelegt, von
Militärtheorie (Carl von Clausewitz) und der Theorie des Partisanentums
(Carl Schmitt) bis zur Romantheorie (Georg Lukács, Michail Bachtin).
Voraussetzung für die Teilname ist eine gute Kenntnis von „Krieg und
Frieden“. Alle Lektüren werden in deutscher Übersetzung zugänglich.
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